Männer wollen wegen Libido-Verlust Antidepressiva absetzen

Riccardo Schmidlin
Riccardo Schmidlin

Bern,

Antidepressiva haben auch ihre Schattenseite – sie können sich negativ auf das Sexleben auswirken. Ein Betroffener packt bei Nau.ch aus.

Depression
Antidepressiva können auf die Libido schlagen – einige Männer überlegen sich daher nun, die Medikamente abzusetzen. (Symbolbild) - pexels

Das Wichtigste in Kürze

  • Antidepressiva können bei Patienten einen Libido-Verlust verursachen.
  • Ein Mann berichtet, wie die Nebenwirkungen sein Sexleben beeinträchtigen.
  • Ein Psychiater bestätigt die Probleme – eine andere Dosierung kann helfen.
  • Er warnt aber davor, die Medikamente eigenständig abzusetzen.

Sex-Flaute wegen Antidepressiva!

«Seitdem ich die Medikamente nehme, vergeht mir die Lust auf Sex», erzählt der Berner Alberto Dunkel* (30) bei Nau.ch. Der Auslöser: Seit drei Jahren nimmt er täglich Antidepressiva ein.

Zwar helfen sie ihm dabei, seine Angststörungen nach einem Burn-out in den Griff zu bekommen. Doch die Kehrseite der Medaille ist ein deutlicher Verlust seiner Libido.

«Es ist ähnlich wie mit meinem Essverhalten», erzählt er. «Auch dort bemerke ich Nebenwirkungen: Ich habe kaum Appetit und musste lernen, trotzdem regelmässig zu essen.»

Auch mit dem fehlenden Appetit in seinem Sexleben musste er erst einmal zurechtkommen. «Ich finde Männer nach wie vor attraktiv – auch körperlich», sagt er. «Wenn ich mich mit einem Mann auf ein Date verabrede, hapert es aber.»

«Kann Sex nicht mehr geniessen»

Er verspüre in der Situation dann aber keine Lust, dass nach einem Kuss noch mehr folgt. «Es fühlt sich an, als müsste ich mich dafür überwinden. Ich kann den Sex nicht richtig geniessen, wie ich es von früher kenne.»

Alberto Dunkel ist kein Einzelfall.

Der Psychiater Erich Seifritz kann das Problem bestätigen – die Nebenwirkungen sind aber von Person zu Person unterschiedlich. «Manche Antidepressiva beeinträchtigen bei einzelnen Patienten und Patientinnen die Sexualität, andere wiederum nicht», sagt er zu Nau.ch.

Erich Seifritz
Prof. Dr. med. Erich Seifritz, Vorstandsmitglied der Schweizerischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie SGPP. - zvg

Dazu komme: Die Gründe für Libido-Verlust seien vielfältig. Auch körperliche Grunderkrankungen, psychische Erkrankungen, Angsterkrankungen oder Abhängigkeiten können diesen verursachen.

Weiter können neben Medikamenten auch kurzfristige Stresssituationen die Sexualität negativ beeinflussen, erklärt Seifritz. Das mache die Bestimmung der genauen Ursache oft schwierig.

Der Psychiater erklärt: «Menschen, die mit Antidepressiva behandelt werden, leiden in der Regel unter einer depressiven Erkrankung.» Im Einzelfall sei es daher nicht einfach festzustellen, ob der Libido-Verlust durch die Erkrankung oder Medikamenten-Nebenwirkung verursacht wird.

Aber: «Besteht der Verdacht auf eine medikamentenbedingte Nebenwirkung, kann versucht werden, das Medikament zu wechseln oder die Dosierung anzupassen.»

Psychiater warnt davor, Antidepressiva eigenständig abzusetzen

Doch was tun, wenn Antidepressiva die Lust auf Sex trüben?

Psychiater Erich Seifritz rät zu einer fachärztlichen Untersuchung. «In vielen Fällen verschwinden solche Probleme im Verlauf einer erfolgreichen antidepressiven Behandlung. Manchmal hilft auch ein Wechsel des Medikaments.»

Es kommt gar vor, dass Männer wegen des Libido-Verlusts die Antidepressiva absetzen wollen.

Wie oft, ist aber «nicht genau bekannt», sagt der Psychiater. Denn: «Viele Betroffene tun sich schwer, über dieses schambehaftete Thema zu sprechen», so Seifritz.

Bist du mit deinem Sexleben zufrieden?

Umso wichtiger sei es, Ärztinnen und Ärzte gezielt danach zu fragen. «So kann auch das Risiko reduziert werden, dass Patienten und Patientinnen aufgrund dieser Nebenwirkungen die Medikamente eigenständig absetzen. Ich rate klar davon ab, Antidepressiva abrupt und ohne ärztliche Begleitung abzusetzen.»

Eine individuell angepasste Lösung sei da sinnvoller. «Beispielsweise durch einen Medikamentenwechsel oder eine Dosisanpassung.»

«Gelernt, mit dem Libido-Verlust zu leben»

Auch der Berner Alberto Dunkel hat sich überlegt, seine Medikamente zu wechseln. «Vorläufig bin ich aber noch in Therapie. Ein Medikamentenwechsel hat auch seine Risiken und eine lange Anpassungszeit, die sehr unangenehm ist.»

Sein Ansatz lautet daher: «Ich habe gelernt, mit dem Libido-Verlust zu leben.»

Sex Paar
«Ich habe gelernt, mit dem Libido-Verlust zu leben», sagt der Berner. (Symbolbild) - pexels

Sollte ihn das aber doch belasten, werde er sich nicht scheuen, seine Psychiaterin darauf anzusprechen. «Für mich ist es wichtig, ein Gleichgewicht zu finden. Ich ziehe es vor, unabhängig von meinem sexuellen Verlangen glücklich leben zu können.»

*Name von der Redaktion geändert

Kommentare

User #3539 (nicht angemeldet)

Antidepressiva haben nicht 'auch Schattenseiten', Antidepressivas SIND die Schattenseite.

User #4053 (nicht angemeldet)

Es gibt auch topographische Depressionen.

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