Eine von drei Frauen: Nach der Geburt folgt der grosse Sex-Frust!
Man sollte offener über Geburten sprechen, findet Kolumnistin Verena Brunschweiger. Und auch darüber, was danach mit dem Sexleben passieren kann.
Das Wichtigste in Kürze
- Die deutsche Autorin Verena Brunschweiger schreibt auf Nau.ch Kolumnen.
- Diesmal schreibt Brunschweiger über die gravierenden Nachteile einer Schwangerschaft.
Natürlich teilen nicht alle Gebärenden das schreckliche Los meiner Brieffreundin in Frankreich: Sie hat sich nach ungewöhnlich langer, dreimonatiger Pause wieder gemeldet, mit der Information, sie wäre zwischenzeitlich im Koma gelegen, weil sie bei der Entbindung beinahe gestorben ist.
Trotzdem ist gerade im deutschsprachigen Raum das Unter-den-Tisch-kehren von Nachteilen einer Schwangerschaft unerträglich in Mode. Das ist in anderen Ländern besser.
Zerstörerische Auswirkungen
So erschien in der «Huffington Post» ein Artikel von Natasha Hinde, dessen Titel «Die zerstörerischen Auswirkungen von Darminkontinenz», schon alles sagt. «Kot tropfte mein Bein hinunter aus meinen Shorts, bis ich es zur Toilette schaffte», sagte eine Mutter, die solche «Unfälle» seit der Geburt ihres Sohns hat.
Allein in England leiden fast zehn von hundert Gebärenden danach und deswegen unter Darminkontinenz. Was für zerstörerische Auswirkungen das auf das Leben der Betroffenen hat, legen zwei Frauen, die verständlicherweise anonym bleiben wollen, dar: Eine verlor buchstäblich alles, ihren Job, ihren Partner, ihr soziales Leben.
Es braucht mehr Aufklärung
Warum um alles in der Welt setzen sich Frauen freiwillig diesem Risiko aus? Und warum gibt es desinformierte Männer, die ihre Partnerinnen diesem Risiko aussetzen? Wir brauchen da unbedingt viel mehr Aufklärung. Und wir brauchen solche Artikel auch in deutschsprachigen Zeitungen, nicht nur in englischen.
Es ist gut, dass in Grossbritannien Frauen existieren, die nicht verklemmt schweigen, was die unvermeidlichen Risiken einer Geburt angeht, sondern sich ihrer Bedeutung bewusst sind, andere davon in Kenntnis zu setzen.
Wenn die Gewarnten dann immer noch meinen, all das träfe bestimmt nur die anderen Frauen, nicht sie selbst, ist das ihr Problem. Aber immerhin wurde ein Versuch unternommen, sie eine Entscheidung treffen zu lassen, die auch auf Wissen basiert und nicht (nur) auf blindem Instinkt.
Beziehungen gefährdet
In Frankreich gibt es ebenfalls Warnungen in Form kritischer Artikel, wie zum Beispiel den von Anaïs Bouitcha: Eines von zwei jungen Elternteilen hat Lust, nach der Geburt des Kindes den Partner zu verlassen (erschienen im «Neonmag»).
Die Autorin reiht eine beachtliche Anzahl von Zahlen und Statistiken aneinander. Sie bringt Studien, die überzeugen – und die harten Fakten schockieren: Es ist immer noch schlimmer als gedacht.
Weniger Lust auf Sex
So hat eine von drei Frauen seit der Entbindung deutlich weniger Lust auf Sex. Eine von drei. Eine von fünf liess den Partner dann ohne eigene Gelüste sich an ihr sexuell abreagieren (man möchte ihn schliesslich nicht verlieren …).
Bouitcha schreibt: «In acht von zehn Fällen fühlen sich die Frauen in den Augen des Partners weniger anziehend. Schliesslich müssen auch die körperlichen Folgen der Geburt berücksichtigt werden: Mehr als drei Viertel der Frauen geben an, weniger vaginale Empfindungen zu haben, während der gleiche Anteil Schmerzen beim Eindringen nennt.»
Schmerzen bei Penetration – erfülltes Sexleben leidet
Angesichts dieser Zahlen verwundert es immer mehr, dass sich Leute diese Risiken aufbürden. Drei Viertel der Frauen fühlen vaginal weniger! Sie haben Schmerzen bei der Penetration!
Das sind untragbare Zustände und mir ist unbegreiflich, wie man seine Gesundheit und seine erfüllte Sexualität dermassen geringschätzen kann, um sie einfach so über Bord zu werfen.
Ich habe bereits Studien von Paul Dolan und Matthew D. Johnson vorgestellt, die ebenfalls zu der klaren Erkenntnis kamen: Kinder sind nicht gut für die Beziehung, auch und gerade was ein erfülltes Sexleben betrifft.
Ein dezenter Hinweis wäre fair
In der deutschen Zeit las man zwar auch mal einen Artikel über Schmerzen und Komplikationen vor. Während und nach der Geburt. Aber die Schlussfolgerungen sind in Deutschland natürlich verlässlich pronatalisch und reines Symptombehandeln.
Dass Organe verrutschen können, wird zugegeben. Gebärmutter- oder Blasensenkung, Gefahr der Inkontinenz – einige Aspekte werden erwähnt. Wahrscheinlich, da es allzu peinlich wäre, das komplett totzuschweigen, obwohl es bald Allgemeinwissen ist und im Ausland rauf und runter diskutiert wird.
Aber ein dezenter Hinweis, dass man sich all dieses Leid, all diesen Schmerz auch ganz einfach sparen kann – das wäre dann doch zu viel.
Auch die Psyche leidet
Da wird den Ärzten, Kliniken, dem gesamten medizinischen Establishment die Schuld gegeben, dass Entbindungen so höllisch wären. Statt mal ganz klar zuzugeben, dass Schwangerschaften per se Strapazen sind für den weiblichen Körper – und extrem schädliche Neben- oder Nachwirkungen haben können.
Nicht nur der Körper leidet, auch die Psyche wird tangiert: Nick Kerry führte in Pennsylvania eine Studie mit 3000 Teilnehmer:innen in elf Ländern durch, der «Guardian» berichtete: Kinder zu haben, macht einen konservativer, sagt eine neue Studie.
Mütter mit Depressionen oder Angstzuständen
Jeden ehrlichen Menschen wird das Resultat, dass einen Kinder konservativer machen, nicht überraschen. Und es macht ja in gewisser Weise sogar Sinn, dass dem so ist, aber die traurige Tatsache lässt sich halt trotzdem nicht leugnen. Auch wenn sich gerade bei uns Eltern alle Mühe geben (mit teilweise wirklich extrem peinlichen Ergebnissen), nicht so zu wirken, als hätte sie der conservative turn fest in seinen Krallen …
Harris Poll fand zudem 2022 in einer grossen Studie heraus, dass sich 42 Prozent der Mütter mit Depressionen oder Angstzuständen herumschlagen, während es in der allgemeinen Bevölkerung unter 30 Prozent waren.
Man muss die Situation für Eltern verbessern, quäken Parteien in so einem Fall.
Gut, das wurde seit Jahrzehnten versucht, teilweise auch sehr erfolgreich und zum klaren Nachteil kinderfreier Menschen, aber immer noch reicht es nicht. Vielleicht sollte man sich also lieber erst gar nicht in diese Lage bringen.
Das letzte Wort soll die grandiose Feministin Shulamith Firestone haben, die bereits 1970 in ihrem Buch «The Dialectic of Sex: The Case for Feminist Revolution» schrieb, wie «unbeholfen, ineffizient, schmerzhaft» Schwangerschaften doch wären. Und dass das Herzstück der Unterdrückung der Frau ihre «kinderbekommende und kinderaufziehende Rolle» ist.
Zur Person: Dr. Verena E. Brunschweiger, Autorin, Aktivistin und Feministin, studierte Deutsch, Englisch und Philosophie/Ethik an der Universität Regensburg. 2019 schlug ihr Manifest «Kinderfrei statt kinderlos» ein und errang internationale Beachtung.