Mehr Kriminalität: Hier sind die Gefängnisse überbelegt

Riccardo Schmidlin
Riccardo Schmidlin

Bern,

Weil die Kriminalität in der Schweiz steigt, platzen diverse Gefängnisse aus allen Nähten. Es braucht aber mehr als nur Zubau.

Gefängnis
In der Schweiz platzen mehrere Gefängnisse aus allen Nähten. (Archivbild aus der Justizvollzugsanstalt Thorberg) - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Überbelegung in Schweizer Gefängnissen belastet die Insassen und das Personal.
  • Es müssen neue Gefängnisse her, weil die Kriminalität steigt.
  • Die Deutschschweizer Kantone arbeiten zusammen, um den Gefängnisplatzmangel zu lösen.
  • Ein Experte sagt: Das Problem sei auch «hausgemacht».

Die Kriminalität in der Schweiz nimmt zu, die Sicherheits- und Untersuchungshaft dauert länger. Das macht sich in den Gefängnissen bemerkbar.

Diese sind rappelvoll, teils sogar überbelegt.

Besonders ausgeprägt ist das Problem im Kanton Bern. «Die Überbelegung unserer Regionalgefängnisse beträgt derzeit bis zu 130 Prozent», sagt Olivier Aebischer vom Amt für Justizvollzug zu Nau.ch.

Im Regionalgefängnis Bern, das für 126 Insassen ausgelegt ist, mussten bereits bis zu 150 Personen untergebracht werden. Dies aufgrund vermehrter Verhaftungen.

Ein ähnliches Bild zeichnet sich im Kanton Solothurn.

Michael Leutwyler, Chef des Amts für Justizvollzug, sagt: «Die Solothurner Untersuchungsgefängnisse waren im letzten Jahr durchschnittlich zu über 109 Prozent ausgelastet.»

Befürwortest du den Freiheitsentzug?

Probleme der Überbelegung gibt es auch in Frauenfeld TG.

In anderen Deutschschweizer Kantonen, die Nau.ch angefragt hat, sind die Gefängnisse zwar nicht überbelegt. Viel spatzig hat man aber nicht.

Die Gefängnisse der Kantone Zürich, Basel-Landschaft, Aargau, St. Gallen, Luzern und Graubünden melden Belegungen zwischen 90 und 100 Prozent.

Mehr Kriminalität – aber auch härtere Strafen

Kriminalitäts-Experte Dirk Baier sieht den Grund für die steigende Auslastung «nur teilweise» bei der gestiegenen Kriminalität.

«Mindestens genauso wichtig scheint mir, dass man wieder strafhärter geworden ist in der Schweiz», sagt er zu Nau.ch.

«In der Zeit der Pandemie hat es der Strafvollzug geschafft, wirklich nur die Strafen zu vollziehen, die wirklich nötig waren.»

Das habe zu einem deutlichen Rückgang der Belegungszahlen zwischen 2019 und 2022 geführt. Dabei stieg die Kriminalität auch in dieser Zeit an.

Dirk Baier
Kriminologe und Extremismusforscher Dirk Baier. - ZHAW

«Nun vollzieht man wieder rigoros Freiheitsstrafen. Darunter beispielsweise viele kurze Ersatzfreiheitsstrafen wegen nicht bezahlter Bussgelder», so Baier.

«Zudem verzichtet man auch wieder mehr, Inhaftierte frühzeitig zu entlassen.»

Die Konsequenz: «Dadurch werden die Zellen einfach wieder gut gefüllt. Zumindest teilweise ist die Überbelegung laut Baier also auch «ein hausgemachtes Problem».

Volle Gefängnisse führen zu schlechterer Hygiene

Und die hohen Knast-Belegungen sorgen für Probleme.

Olivier Aebischer vom Berner Amt für Justizvollzug erklärt: «Eingewiesene Personen und unsere Mitarbeitenden sind durch die andauernde Überbelegung zusätzlich belastet.»

Der Arbeitsaufwand nimmt zu, die begrenzten räumlichen Kapazitäten bringen mehr Konflikte.

Warst du schon einmal in einem Gefängnis?

Andreas Schiermeyer von der Sicherheitsdirektion Basel-Landschaft warnt zudem vor schlechteren hygienische Bedingungen.

Denn: «Mehr Personen teilen sich Toiletten, Duschen und Zellen, was zu unhygienischen Zuständen und einer höheren Anfälligkeit für Krankheiten führt.»

Ausserdem erhalten so viele Insassen keine sinnvolle Beschäftigung oder Resozialisierungs-Möglichkeiten, da diese Möglichkeiten begrenzt sind.

Mehr Übergriffe auf das Personal drohen

Für das Personal steigen zudem die Sicherheitsrisiken. «Mehr Insassen bedeuten eine höhere Wahrscheinlichkeit für Auseinandersetzungen und Übergriffe auf das Personal», warnt Schiermeyer.

Diese Situation führt zu höherem Stress und einer sinkenden Arbeitszufriedenheit. Auch wegen weniger Kontrollmöglichkeiten und Ressourcen-Mängeln.

Hinzu kommen logistische Herausforderungen, wie Yara Russer vom Justizvollzug und Wiedereingliederung des Kantons Zürich ergänzt.

«So müssen beispielsweise bestimmte Gruppen, etwa zum Schutz des Verfahrens in der Untersuchungshaft, voneinander getrennt werden. Aber auch der Haftstatus oder die Sprache spielen eine Rolle bei der Zuteilung.»

Bern und Solothurn planen neue Gefängnisse

Der Kanton Bern reagiert auf die Situation, indem er etwa frühere Arbeitsräume in Gefängnisplätze für Kurzstrafen umfunktioniert. Zudem stockt er das Betreuungspersonal befristet auf.

Langfristig soll aber ein neuer Knast her. Auch Solothurn plant zur Entlastung ein neues Zentralgefängnis, das bis 2029 in Betrieb gehen soll.

Zwischenzeitlich wurde das Untersuchungsgefängnis Olten um zwölf Haftplätze erweitert. Und auch die Justizvollzugsanstalt Solothurn soll ausgebaut werden.

Für Frauenfeld TG hat das Kantonsparlament im Dezember einen Kredit für zehn zusätzliche Haftplätze bewilligt.

Haft
Häftlinge müssen zum Teil in Containern untergebracht werden. - keystone

Doch die Gefängnisplatz-Knappheit soll nicht nur kantonal gelöst werden. Deutschschweizer Kantone arbeiten in einem Konkordat zusammen.

Konkordats-Sekretär Stefan Weiss verrät, dass derzeit ein gemeinsamer Planungsbericht erarbeitet wird, um abgestimmte Bauprojekte in Zukunft zu fördern.

Kurzfristig sollen die Kapazitäten durch Container, Mehrfachbelegungen oder die Nutzung weiterer Räume als Zellen erhöht werden.

Zudem können Häftlinge in Gefängnisse anderer Kantone verlegt werden, wo noch Platz ist.

Gemeinnützige Arbeit und Hausarrest sollen Abhilfe schaffen

Eine weitere mögliche Massnahme, die laut Aebischer aus Bern helfen soll, sind schnellere Justizverfahren.

Und: «Der vermehrte Einsatz zum Verbüssen von Strafen mit Sondervollzugsformen kann eine leichte Entlastung bringen.» Also etwa durch einen elektronisch überwachten Hausarrest oder durch gemeinnützige Arbeit.

Auch Kriminalitäts-Experte Dirk Baier begrüsst diesen Ansatz.

Und er fügt hinzu: «Sinn beziehungsweise Länge von Ersatzfreiheitsstrafen oder Kurzfreiheitsstrafen von wenigen Tagen oder Wochen könnte man durchaus überdenken.»

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Kommentare

User #5334 (nicht angemeldet)

Der Deutsche Experte redet wieder alles schön!

User #1532 (nicht angemeldet)

Das Jahr 2015. Als es begann. LOL.

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