Mit Gas heizen in der Schweiz bleibt teuer
Der Gasmarkt in der Schweiz bleibt weiterhin volatil. Experten gehen davon aus, dass die Preise auch zukünftig auf hohem Niveau bleiben werden.
Das Wichtigste in Kürze
- Seit Ausbruch des Ukrainekrieges sind die Gaspreise auf ein hohes Niveau gestiegen.
- Experten gehen davon aus, dass dieselben auf dem hohen Niveau verweilen werden.
- Trotzdem seien Voraussagen über die Gaspreisentwicklung sehr schwierig und ungenau.
Wer eine Gasheizung im Keller hat, muss seit Ausbruch des Ukrainekriegs deutlich mehr Geld auf den Tisch legen. Das dürfte sich nach Einschätzung von Branchenkennern nicht so schnell ändern. Die Preise am Grosshandelsmarkt haben sich nach den Rekorden Ende August mittlerweile wieder etwas beruhigt. Trotzdem notieren sie nach wie vor auf einem sehr hohen Niveau.
Weitere Preiserhöhungen durch die hiesigen Gasversorger sind nicht ausgeschlossen, vor allem mit Blick auf die Heizperiode. Wie kalt der Winter wird, spielt dabei eine entscheidende Rolle.
Endkundenpreis abhängig vom Gaspreis
Die Gaspreise für Schweizer Haushalte enthalten die Kosten für das Erdgas oder das Biogas. Auch die Kosten für die Infrastruktur (Produktion, Transport, Speicherung) sind in den Preisen inbegriffen. Überdies kommen auch die CO2-Abgabe und weitere Abgaben hinzu. Der Endkundenpreis ist also unter anderem abhängig vom Gaspreis, welcher wiederum stark von der Beschaffungsstrategie des Versorgers abhängt.
Der Gasmarkt ist heute in der Schweiz allerdings gesetzlich kaum geregelt. Dies im Kontrast zum Strommarkt, wo die staatliche Regulierungsbehörde Elcom die Branche überwacht. In der Schweiz gibt es (noch) kein Gasversorgungsgesetz analog zum Stromversorgungsgesetz. Ein solches ist jedoch seit längerem geplant.
Aktuell gibt es aber keine gesetzlichen Vorgaben zur Höhe der Preise oder wann diese angepasst werden dürfen. Allerdings ist der Preisüberwacher bei den Gaspreisen zuständig und achtet auf «faire» Tarife.
Flickenteppich von unterschiedlichen Anbietern
In der Schweiz gibt es über 100 Gasversorger, von denen die meisten im öffentlichen Besitz sind (Städte und Gemeinden). Letztere müssen eine geplante Preiserhöhung der Preisüberwachung melden.
Ab wann ein Preis zu hoch ist, hänge vom Einzelfall ab, heisst es vom Preisüberwacher auf Anfrage der Nachrichtenagentur AWP. Massgebend seien die Kosten und ein «angemessener» Gewinn. Da der Gasmarkt zurzeit sehr volatil ist, seien derzeit zahlreiche Tarife in Prüfung. In anderen Worten: Es dürfte weitere Erhöhungen geben.
Die Gastarife können sich in der Schweiz je nach Versorgungsgebiet stark unterscheiden. Laut Preisüberwacher liegt der Durchschnittspreis in der Schweiz derzeit bei rund 13 Rappen die Kilowattstunde. Berechnet wird der Preis für ein Mehrfamilienhaus mit einem durchschnittlichen Jahresverbrauch von 100'000 Kilowattstunden.
Die Preise für dieselbe Verbrauchskategorie schwanken aber regional massiv: von 4,5 Rappen bis zu fast 24 Rappen die Kilowattstunde. Besonders teuer ist Gas zum Heizen unter anderem im Kanton Glarus, hingegen besonders günstig im Tessin und in Graubünden.
Bei Energie 360 Grad zum Beispiel, dem grossen Zürcher Gasversorger, sind die Preise jüngst weiter angestiegen: Ein durchschnittlicher Heizkunde mit einem Mehrfamilienhaus zahlt für das Standardprodukt mit 25 Prozent Biogas seit dem 1. Oktober 3,9 Rappen die Kilowattstunde mehr. Nachdem das Gas von Juni 2022 bis Ende September 14,3 Rappen die Kilowattstunde kostete, kostet es nun 18,2 Rappen. Dabei lag der Preis bis Ende September 2021 noch bei 7,0 Rappen.
Voraussagen sind schwierig
Jetzt hat die Heizsaison begonnen und es dürfte wie bereits erwähnt zu weiteren Preiserhöhungen für Schweizer Haushalte kommen. Thomas Hegglin vom Verband der Schweizerischen Gasindustrie sagt, der Marktpreis sei sehr volatil, und es sei schwierig, Voraussagen zu machen. Wovon aber auszugehen sei: Die Grosshandelspreise für Gas dürften auf einem sehr hohen Niveau bleiben.
2012 hat die Branche eine sogenannte Verbändevereinbarung abgeschlossen, welche die freie Wahl des Lieferanten für grosse Industriekunden regelt. 2020 entschied die Wettbewerbskommission Weko dann, dass auch die kleineren Endverbraucher ihren Lieferanten grundsätzlich frei wählen dürfen. Die Wettbewerbsbehörde hat damit den Schweizer Gasmarkt faktisch geöffnet, allerdings ohne gesetzliche Rahmenbedingungen.
Laut dem BFE besteht für den Gasmarkt durch das sogenannte Rohrleitungsgesetz eine Transportpflicht. Das bedeutet: Netzbetreiber müssen vertraglich und gegen Entschädigung Transporte für Dritte übernehmen, wenn dies technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar ist. Bei Streitigkeiten entscheidet das BFE. Auch die Weko kann einen «Durchleitungsanspruch» gestützt auf das Kartellrecht durchsetzen.
Seit dem Weko-Entscheid habe es in der Schweiz tatsächlich verschiedene Lieferantenwechsel gegeben. Und zwar auch bei kleineren Objekten wie Mehrfamilienhäusern, heisst es vom Zürcher Beispiel, also Energie 360 Grad. Aufgrund der hohen Marktpreise seien Wechsel in letzter Zeit jedoch nicht attraktiv gewesen.
Der Vergleich zum Strommarkt: In der Schweiz können nur Konsumenten mit einem hohen Stromverbrauch ab 100'000 Kilowattstunden im Jahr ihren Versorger frei wählen. Die Haushalte zahlen hingegen regulierte Tarife in der Grundversorgung an ihren örtlichen Stromversorger (Kosten plus Gewinn).
Unterschiedliche Beschaffungsstrategien
Die Versorgung mit Gas erfolgt in der Schweiz durch die verschiedenen lokalen Unternehmen. Diese sind gemäss Gasverband bezüglich Grösse, Rechtsform, Versorgungsgebiet, Kundenstruktur und Umfang ihrer Angebote sehr unterschiedlich. Häufig sind sie eben Teil der öffentlichen Verwaltung und versorgen die Menschen gleichzeitig auch mit Strom, Wasser und Fernwärme. Überdies sind sie zuständig für die Abwasserentsorgung sowie den Betrieb von Kabelnetzen.
Dementsprechend unterschiedlich kann die Beschaffungsstrategie aussehen. Energie 360 Grad importiert die gesamte Erdgasmenge aus dem Ausland, da in der Schweiz kein Gas gefördert wird. Diese Mengen sind dem Marktpreis vollständig ausgesetzt.
Das Erdgas fliesst aus Deutschland und Frankreich sowie zu einem geringen Teil auch aus Italien in die Schweiz. Das Biogas stammt teilweise aus der Schweiz. Auch der Preis von Biogas sei den Schwankungen der Märkte ausgesetzt, sagt Unternehmenssprecher Michael Walser.
«Wir tätigen die Einkäufe bedarfsgerecht, gestaffelt und zu verschiedenen Zeitpunkten.» Dies sagt er zudem auf die Frage, ob die Lieferungen lange im Voraus abgesichert werden. Das Mengenverhältnis zwischen kurz- und langfristiger Beschaffung könne sich laufend ändern.
So sollen einerseits Risiken reduziert werden, falls der Preis stark ansteigt. Andererseits können dann aber auch tiefere Preise rasch an die Kunden weitergeben werden.
Jeder Gasanbieter hat eigene Preispolitik
Jeder Gasversorger hat seine eigene Preispolitik. «Wer wann die Preise anpasst, ist unterschiedlich», sagt Hegglin vom Gasverband. Das steht im starken Kontrast zum Strommarkt, wo die Tarife für Haushalte lediglich einmal jährlich zum Jahreswechsel angepasst werden dürfen. Die neuen Preise für das Folgejahr müssen die Stromversorger jeweils bis spätestens Ende August der Aufsichtsbehörde melden.
Energie 360 Grad versucht, die Gaspreise möglichst über ein Quartal stabil zu halten. Kleinere Schwankungen würden also während des Quartals geglättet, und die Tarife würden normalerweise maximal einmal pro Jahresviertel angepasst.
Bei ausserordentlich grossen Veränderungen seien aber Ausnahmen möglich, sagt Walser von Energie 360 Grad. In Situationen wie etwa im Fall des Ukrainekrieges mit hohen und volatilen Preisen könnten die Tarife auch monatlich angepasst werden.