«Mundraub»: Ski-Beiz installiert Videoüberwachung beim Self-Service
Eine grosse Walliser Pisten-Beiz überwacht Skifahrer beim Self-Service per Video. Doch bei der Massnahme gegen Mundraub gibt es ein Problem...
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Das Wichtigste in Kürze
- Skifahrer in einem grossen Walliser Pisten-Restaurant werden videoüberwacht.
- Auch in Bern setzen immer mehr Restaurants mit Self-Service darauf.
- «Mundraub» kann teuer werden – es drohen Bussen von bis zu 10'000 Franken.
- Ein Rechtsanwalt sieht aber ein mögliches Problem in der Walliser Beiz.
- So wie die Kamera jetzt beschriftet ist, sei es aus Datenschutz-Sicht problematisch.
Skifahren macht durstig – zu durstig!
Ein grosses Pisten-Restaurant in Saas-Fee VS ergreift Massnahmen. Die Betreiber haben bei der Getränke-Selfservice-Station eine Videokamera installiert.
«Achtung Videoüberwachung», steht unübersehbar oberhalb der Cola-, Sprite- und Rivella-Hahnen.
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Der Verdacht liegt nahe, warum. Manch ein Gast füllt sich wohl ein Glas, trinkt es beim Zapfhahn füllt dann nach. Und bezahlt nur eins. Das nennt sich «Mundraub».
Auf Anfrage von Nau.ch will man keine Auskunft geben. «Aus Sicherheits- und Datenschutz-Gründen», so die Restaurant-Verantwortlichen.
Aus «Datenschutz-Gründen» steht die Beiz kurz darauf selbst in der Kritik.
Die Videoüberwachung hat einen Fehler
Denn: So wie die Video-Überwachung aktuell beschriftet ist, ist das Ganze heute nicht mehr korrekt.
Rechtsanwalt Martin Steiger sagt zu Nau.ch: «Aufgrund der allgemeinen Informationspflicht gemäss neuem Datenschutzgesetz genügt allein ein solches Schild nicht mehr, um das Datenschutzrecht einzuhalten.»
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Das Datenschutzgesetz schreibt vor, dass seit dem 1. September 2023 bei Videoüberwachung umfassend informiert werden muss.
Konkret: Identität des Verantwortlichen, Zweck sowie über allfällige Weitergabe an Dritte oder Bekanntgabe ins Ausland müssen transparent gemacht werden.
Wenn man die Informationspflicht vorsätzlich nicht erfülle, dann könnte es sogar ein Strafverfahren geben. «Ich würde nicht leichtfertig von einem vorsätzlichen Handeln ausgehen», sagt Steiger.
Es dauere wohl vielmehr einfach noch einige Zeit, bis die neue Regelung allen genügend bekannt ist.
Und: «Es gibt keine ‹Datenschutz-Polizei›, die einfach mal so vorbeischaut und Bussen verteilen kann.»
Das Restaurant war auf mehrfache Nachfrage von Nau.ch nicht mehr erreichbar.
Ob es ein zusätzliches Schild an einem anderen Ort gibt? Auf den ersten Blick ist ein solches jedenfalls nicht zu erkennen.
Mundraub-Alarm in Ski-Beizen
Eine Antwort, warum überhaupt Videokameras installiert werden, liefert Gastro Bern. Die Entwicklung kennt man nämlich auch im Kanton von Adelboden, Grindelwald und Co.
«Es ist zu beobachten, dass immer mehr Selfservice-Restaurants Videoüberwachung einsetzen. Bei Getränke-Selfservice-Stationen besteht immer die Gefahr von Mundraub», so Daniel Reichenpfader.
Jeder Schluck kostet
Das kann für Self-Service-Restaurants durchaus ins Geld gehen.
Bei der genannten Walliser Ski-Beiz kostet ein Drei-Dezi-Getränk 4.80 Franken. Für fünf Deziliter zahlt man fast zwei Franken mehr.
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«Die Videoüberwachung kann eine nützliche Massnahme sein, um das Verhalten der Gäste zu beobachten. Und Fehlverhalten zu korrigieren», so Reichenpfader.
Am besten sei aber eine Kombination aus verschiedenen Massnahmen, «Videoüberwachung sollte nicht die einzige Lösung sein. Ein freundlicher und aufmerksamer Service sowie klar kommunizierte Regeln können das Vertrauen der Gäste fördern und Mundraub minimieren.»
Gastrosuisse empfiehlt günstigere Massnahmen
Der schweizweite Restaurant-Arbeitgeberverband rät gar: Restaurants sollten erst andere Optionen als eine Video-Kamera in Betracht ziehen.
«Es empfiehlt sich, zuerst kostengünstigere Massnahmen zu prüfen», so Gastrosuisse-Direktor Patrik Hasler-Olbrych.
Nämlich: «Selbstbedienungsstationen lassen sich beispielsweise so aufstellen, dass sie im Blickfeld der Mitarbeitenden sind. Auch eine offene Kommunikation kann bereits helfen.»
Es komme aber auf die spezifische Situation an.
So teuer wird es bei Mundraub
Wird jemand beim Mundraub erwischt, dann kann das sehr schnell sehr teuer werden. Es drohen bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe, warnt Rechtsanwalt Steiger.
«Theoretisch», weil es sich mit Blick auf den Wert der betroffenen Getränke und Speisen normalerweise um ein geringfügiges Vermögensdelikt handelt.
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Steiger: «Die Grenze liegt bei 300 Franken. Man müsste also wortwörtlich den Mund ganz schön voll nehmen, um einen Betrag von mehr als 300 Franken zu erreichen!»
Ein «Mundraub» bis zu 300 Franken könne mit einer Busse bestraft werden. «Eine solche Busse kann bis 10'000 Franken betragen, wird normalerweise aber wesentlich tiefer ausfallen.»
Die Kosten für das Strafverfahren und die eigene Strafverteidigung seien häufig deutlich höher als die Busse. Trotzdem: «Die gesamten Kosten erreichen sofort mehr als 1'000 Franken.»