Müssen in Knigge-Kurs: Ist die Gen Z wirklich weniger anständig?
Mehrere Betriebe schicken ihre Lehrlinge in den Knigge-Kurs – weil es ihnen den Chefs zufolge an Anstand fehlt. Ein Generationen-Konflikt?
Das Wichtigste in Kürze
- Immer mehr Betriebe schicken ihre Lehrlinge in Knigge-Kurse.
- Die Kritik: Die Jugendlichen grüssen nicht oder kommen mit Trainerhosen zur Arbeit.
- Zwischen den Generationen gibt es offenbar Verständigungsprobleme.
Sie grüssen nicht oder kommen mit Trainerhosen ins Büro: Immer mehr Betriebe schicken ihre Lehrlinge in den Knigge-Kurs. Ist die Generation Z tatsächlich so unanständig?
Es sei nicht so, dass die Jungen Regeln grundsätzlich ablehnen, sagt Jugendforscher Simon Schnetzer zu Nau.ch. Im Gegenteil.
Aus Erfahrung weiss er: «Junge Menschen geben sich sehr strenge Regeln, wenn sie verstehen, worum es geht.»
Dafür müssten sie aber informiert werden und einsehen, dass die Regeln Sinn machten. Dass die Jogginghose nicht ins Büro gehört, verstehen offenbar nicht alle. «Benimmregeln wirken für Junge oft wie aus einer anderen Zeit. Warum sollten sie sich daran halten?»
Babyboomer und Generation Z sind gar nicht so anders
So anders als frühere Generationen ist die Gen Z aber nicht.
Schnetzer verweist auf eine Studie, an der er selbst beteiligt war. «Sie zeigt klar, wie ähnlich die verschiedenen Altersgruppen denken. Der grosse Unterschied liegt darin, wie sehr sie Dinge einfordern.»
Das beobachtet auch Stefanie Hafner von Neoviso, einem Unternehmen, das sich für das Verständnis der Generation Z einsetzt. Sie weiss, warum die Jungen meist am längeren Hebel sitzen: «Wegen des Fachkräftemangels dürfen sie auch mehr fordern.»
Nur: «Die Dinge, die wir fordern, begrüssen in meiner Erfahrung auch Ältere. Zum Beispiel flexiblere Arbeitszeiten.»
Andere Generationen hätten sich früher nicht getraut, danach zu fragen, glaubt Hafner. «Da kommt vielleicht bei einigen ein gewisser Trotz ins Spiel.» Ganz im Sinne von: «Warum sollten die etwas dürfen, das ich auch nicht durfte?»
«Wir sollten keine moralische Panik anzetteln»
Dass die Gen Z unanständiger ist, findet sie nicht. «Junge duzen vielleicht eher, sehen die Dinge weniger ernst.» Von Knigge hält auch Hafner wenig.
«Jemanden in den Knigge-Kurs zu schicken, hat etwas Herablassendes. Man sollte jungen Menschen mehr auf Augenhöhe begegnen, etwa, in dem Vorgesetzte Anstand vorleben.»
Ähnlich sieht das Soziologe Marko Kovic. «Wir sollten keine moralische Panik anzetteln. Es gibt keinerlei Beweise, dass sich Junge heute grundsätzlich weniger prosozial als früher verhalten.»
Was sich vielleicht geändert habe: «Es gibt heute mehr Leute, die mit Knigge-Kursen Geld verdienen und entsprechend beklagen, wie schlimm alles geworden sei.»
«Boomer-Eltern haben uns so erzogen»
Aber was ist denn nun mit der Jogginghose am Arbeitsplatz? Stefanie Hafner kann sich vorstellen, dass es ein Trend sei, so zur Schule zu gehen. Und das schwappe dann ins Büro über. «Die Jugendlichen müssten vorher lernen, dass das nicht geht.»
Sie selbst habe das bei der Arbeit noch nie gesehen. Aber: «Sicher haben Junge ein anderes Verständnis von Kleidern. Sie erscheinen nicht überall in Anzug und Krawatte.»
Das komme daher, dass sie sich nicht verstellen wollten. «Und dazu muss man auch sagen: Wir sind von unseren Boomer- und Generation-X-Eltern so erzogen worden. Uns wurde immer gesagt, wir sollen uns selbst verwirklichen.»