Nasenspray: Es machte so süchtig, dass ich Entzug brauchte
H.R. war vier Jahre lang von Nasenspray abhängig. Dann machte sie den Entzug. Bei Nau.ch erzählt sie, wie schwer es war und wie oft sie ans Aufgeben dachte.
Das Wichtigste in Kürze
- Nasenspraysucht wird nicht oft thematisiert, kann aber jeden treffen.
- Eine ehemals Abhängige erzählt bei Nau.ch, wie sie den Absprung schaffte.
Nasenspraysucht. Klingt eigentlich lächerlich. Doch neben der psychischen Abhängigkeit kann die längere Nutzung eines abschwellenden Sprays effektiv eine physische Abhängigkeit mit sich ziehen. Nicht umsonst mahnen Apotheker jeweils: «Bitte nicht länger als fünf Tage verwenden.»
Offizielle Zahlen zu Nasenspray-Abhängigen fehlen in der Schweiz, doch die Tendenz ist steigend. Das hat eine Umfrage des Apothekerverbandes Pharmasuisse 2016 ergeben. Damals wurden fast drei Millionen Packungen bei den Krankenkassen abgerechnet.
Eine von denen, die dies regelmässig getan hat, ist die 30-jährige H.R. aus Bern. Rund vier Jahre war sie abhängig vom abschwellenden Spray. «Ein Teufelskreis», sagt sie heute. «Ohne Spray aus dem Haus gehen? Das war lange unmöglich!»
Angst und Panik als ständiger Begleiter
Sei sie dann doch mal ohne unterwegs gewesen, hätten sich Angst und Panik breitgemacht. Angst vor dem Ersticken, Panik davor, in der Öffentlichkeit zusammenzubrechen.
«Ich habe mehrmals versucht, davon loszukommen», sagt sie zu Nau.ch. Gelungen sei ihr dies aber nie.
Nach rund drei Jahren Abhängigkeit und masslos ausgegebenem Geld habe sie erstmals einen Arzt aufgesucht. «Ich dachte wirklich, da stimmt was mit meiner Nase nicht.» Eine chronische Krankheit habe sie vermutet.
Der Arzt habe ihr dann aber bestätigt: Alles gut, einfach süchtig sei sie. Machen solle sie einen kalten Entzug. Zum Entwöhnen der Nase gleichzeitig Kortison-Nasenspray oder Salzwasser benutzen. «Aber geklappt hat das nicht.»
H.R.: «Ich wusste, irgendwann muss ich davon loskommen»
«Vor rund zwei Monaten wusste ich, irgendwann muss ich davon loskommen. Also besser heute als gestern.» Sie setzte den Spray ab, vom einem Tag auf den anderen. «Zumindest tagsüber, die ersten zehn Nächte schaffte ich noch nicht ohne.»
R. berichtet: «Schon der erste Tag war schlimm. Ab neun Uhr morgens konnte ich kaum mehr atmen, beide Nasenlöcher waren komplett zu.»
Mehrmals habe sie zum Spray greifen wollen. «Aber nein, dieses Mal war es anders, ich wollte es wirklich schaffen», so R.
«Aber ehrlich gesagt: Ich drehte zwischendurch fast durch. Das Einzige, was mir ein bisschen Ablenkung verschaffte: Nach Feierabend spazieren gehen, draussen an der kühlen Luft.»
Erst ab Tag 10 auch in der Nacht kein Spray
So ging das dann weiter, neun lange Tage. «Erst dann merkte ich langsam eine Verbesserung. Ab da blieb die Nase jeden Tag etwa eine halbe Stunde länger offen.» Die Freude war gross.
«Am zehnten Tag beschloss ich dann, auch fürs Schlafen keinen Nasenspray mehr zu brauchen, auch wenn es hart werden sollte.» Es klappte, sagt sie zu Nau.ch.
Von da weg sei der Willen wieder stärker geworden. «Irgendwie machte es mich aber fertig, denn mittlerweile waren fast zwei Wochen vergangen, wirklich atmen konnte ich immer noch nicht.»
Bis zu drei Wochen, bis die Nase befreit ist
Sie machte weiter. Ärzte sagen, für eine Entwöhnung des Sprays müsse man eine bis drei Wochen rechnen. Bei R. machten sich ab Woche 3 endlich weitere Verbesserungen bemerkbar.
«Wirklich zu war meine Nase kaum noch, einfach immer so ein bisschen. Aber: Ich konnte atmen, hatte nicht mehr ständig das Gefühl, nur an den Nasenspray denken zu können und ersticken zu müssen.»
Mittlerweile sind über eineinhalb Monate vergangen. Den Spray braucht R. nicht mehr.
«Mir geht es gut, meine Nase ist fast immer frei.» Sie wisse aber auch, dass sie wahrscheinlich nie mehr Nasenspray brauchen dürfe, auch nicht bei Krankheit.
Bei Nau.ch lesen Sie morgen Teil drei dieser Nasenspray-Serie.