Nicht nur WC-Pause: Auch hier tricksen Chefs bei der Überzeit
Eine Uhrenfirma sorgt für Schlagzeilen, weil ihre Mitarbeiter für die WC-Pause ausstempeln müssen. Kein Einzelfall: Auch andere Tricks sind an der Tagesordnung.
Das Wichtigste in Kürze
- Ein Arbeitgeber im Kanton Neuenburg lässt seine Angestellen für WC-Pausen ausstempeln.
- Das Gericht gibt der Uhrenfirma recht.
- Auch in anderen Bereichen tricksen Arbeitgeber, was die Zeiterfassung betrifft.
Am Dienstag sorgte ein Entscheid des Neuenburger Kantonsgerichts für Aufregung: Arbeitgeber haben demnach das Recht, die Angestellten bei WC-Pausen ausstempeln zu lassen. Grund für die Verhandlung war die entsprechende gängige Praxis beim Uhrenhersteller Jean Singer et Cie in Boudry NE.
Bei den Gewerkschaften sorgt das Urteil für Ärger: «Solche Regelungen sind eine Gängelei der Arbeitnehmenden. Wir lehnen es klar ab, dass für WC-Pausen ausgestempelt werden muss», sagt Dominik Fitze, Sprecher der Mediengewerkschaft Syndicom zu Nau.ch.
WC-Ausstempeln eine «Absurdität»
Die Industrie-, Gewerbe- und Dienstleistungs-Gewerkschaft Syna spricht bezüglich des Urteils von einer «Absurdität. Wir sind aber zuversichtlich, was den gesunden Menschenverstand der Unternehmen angeht», sagt eine Sprecherin.
Schliesslich sorge eine solche Regelung für schlechte Stimmung bei den Mitarbeitenden, und damit sei dem Arbeitgeber auch nicht geholfen.
Einen Schritt weiter geht die Gewerkschaft Unia: «Ein Gang zum WC ist keine Pause», erklärt ein Sprecher. «Wir gehen davon aus, dass die zuständige Neuenburger Behörde das unverständliche Urteil anfechten und weiterziehen wird.»
Vorerst aber gilt: Unternehmen dürften ihre Angestellten für den Gang aufs WC ausstempeln lassen. Und die Gewerkschaften listen noch weitere Maschen der Arbeitgeber auf, um die Arbeitszeit der Mitarbeiter zu ihren Gunsten anzupassen.
Mitarbeiter dürfen erst nach PC-Aufstarten einstempeln
«Ein Trick, der leider vielerorts üblich ist: Eingestempelt werden darf erst, wenn man bereit für die Arbeit ist. Eigentlich sollte die Arbeitszeit bereits beginnen, wenn man den Computer aufstartet oder die Arbeitskleidung in der Garderobe anzieht», sagt Fitze.
Eine andere Handhabe, die die Gewerkschaften kritisieren: Betriebe, die die Arbeitszeit nicht erfassen lassen. «Ohne Zeiterfassung arbeiten viele mehr als vereinbart und leisten also gratis Überstunden und Überzeit», erklärt Fitze.
Grundsätzlich gilt, dass die Zeiterfassung eine gesetzliche Pflicht ist. Der Arbeitgeber trägt dabei die Verantwortung, dass die Arbeitszeit erfasst wird.
Wenn ein Betrieb die Stundenerfassung nicht verlange, empfehle Syndicom, das Gespräch mit den Vorgesetzten zu suchen. «Hilft das nicht, ist es eine gute Idee, die Arbeitszeit selbst zu erfassen, beispielsweise in einem Excelfile oder einem Notizheft.»
Betrieb musste Mitarbeiter 150 Überstunden nachzahlen
Auf diese Weise habe Syndicom kürzlich bei einem entsprechenden Fall helfen können. Die betroffene Person konnte zusammen mit der Gewerkschaft eine Nachzahlung von 150 Stunden Überzeit erwirken.
Als Beweis hat sich die betroffene Person ihre Arbeitszeiten mit einem Foto bei Arbeitsbeginn am Arbeitsplatz belegen können.
Was zeigt: Ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist zwar die Ideallösung. Oft aber nur eine Wunschvorstellung.
Handfeste Belege und Beweise sind daher wichtig. Nicht nur bei den WC-Pausen.