Ohne Facebook hätte es Christchurch nicht gegeben, sagt der Experte

Brendan Bühler
Brendan Bühler

Bern,

Im neuseeländischen Christchurch kam es vergangene Woche zu einem rechtsextremen Anschlag. Journalist Hannes Grassegger sieht Facebook in der Verantwortung.

Christchurch Neuseeland Facebook
Ein Polizist patrouilliert hinter einem Absperrband in der Nähe einer Moschee im Zentrum von Christchurch. - DPA

Das Wichtigste in Kürze

  • 50 Menschen wurden bei einem terroristischen Anschlag in Neuseeland ermordet.
  • Die Tat wurde auf Facebook gestreamt und später im Netz verbreitet.
  • Laut dem Journalisten Hannes Grassegger trägt Facebook eine Verantwortung.

Vergangene Woche kam es in Neuseeland zu einem rechtsextremen Terroranschlag. 50 Menschen muslimischen Glaubens wurden ermordet. Der Täter, ein 28-jähriger Australier, streamte die Tat auf Facebook. Das Video wurde kopiert und auf anderen Plattformen verbreitet.

Rund 4000 Personen schauten das Video auf Facebeook an. Der Journalist mit Fokus auf digitale Themen, Hannes Grassegger, sieht das US-Tech-Unternehmen in der Verantwortung.

Nau: Wie ist Ihre Einschätzung von Facebooks Rolle?

Hannes Grassegger: «Ohne Facebook hätte es den Anschlag nicht gegeben. Die Tat war als viraler Post konzipiert. Das Mordvideo wurde über Facebook Live verbreitet, dann über das Imageboard 8chan von einer radikalen Community in andere soziale Netzwerke wie YouTube und Reddit verbreitet.

Im Gegensatz zu anderen Anschlägen wie in Nizza, als Anwesende die Tat filmten und posteten, waren es im Fall von Christchurch der Attentäter, der mit Hilfe seiner radikalen Netzwerkcommunity Facebook und YouTube direkt selber als Multiplikator nutzte. Was Facebook macht, ist wie eine Jihadisten-Sendung auszustrahlen – gratis.»

Christchurch Terror
Passanten stehen im März vor Blumen, die in Christchurch für die Opfer eines rassistischen Anschlages niedergelegt wurden. - DPA

Wie Facebook in einer Mitteilung schreibt, bezeichne das Unternehmen den Vorfall als Terrorangriff. Deshalb verletze jegliche Unterstützung, Darstellung oder jegliches Lob die Gemeinschaftsstandards der Plattform.

Nau: Muss man Verständnis haben, dass es über 30 Minuten dauerte, bis das Video auf FB gelöscht wurde?

Hannes Grassegger: «Nein. Im besten Fall ist sowas von Anfang an nicht möglich. Facebook sagt, dass sie die besten Leute beschäftigen. Zudem beschäftige man angeblich zehntausende Content Moderatoren, um Inhalte zu überwachen und löschen.

Wenn all das der Fall ist, dann hat man sowas wohl in Kauf genommen. Viele haben vor allem nach dem Genozid in Burma darauf hingewiesen, dass sowas passieren könnte. Facebook ist der Profit wohl wichtiger als die gesellschaftlichen Folgen. Die Firma trägt dafür ja keine Kosten.»

Hannes Grassegger Christchurch Facebook
Hannes Grassegger in seinem Büro. - Hannes Grassegger

«Content Moderatoren» sichten gemeldete Beiträge und löschen diese, wenn gegen die Gemeinschaftsstandards verstossen wird. Insgesamt hat Facebook rund 35'000 Angestellte.

Nau: Wo liegt denn der Ursprung des Problems?

Hannes Grassegger: «Der Vorfall zeigt, dass nicht mal Facebook selber seine Plattform mehr in einem gesellschaftlich akzeptablen Rahmen halten kann. Und dass es Helfershelfer solcher Terroristen wird.

Facebook profitiert von der Aufmerksamkeit, verdient letztlich am Horror. Im Gegensatz zu den klassischen Medien verbreitet Facebook die Nachricht des Attentäters ohne Kontext, ohne Einordnung.

Schlussendlich ist das ein Fehler der Plattform. Wenn wir jetzt im Gegenzug anfangen, gesamtgesellschftlich die Redefreiheit zu zensieren, dann zahlen wir mit unserer Freiheit für das Geschäftsmodell von Facebook und YouTube

Mark Zuckerberg Facebook
Facebook-CEO Mark Zuckerberg vor dem US-Senat, der mehr über die Wahlmanipulation russlands erfahren wollte. - Keystone

Facebook sieht sich selbst nur als Plattform, nicht als Medium. Im Gegensatz zu den traditionellen Medien entzieht sich das Unternehmen so beinahe jeglicher Verantwortung für die Inhalte, die auf der Plattform geteilt werden.

Laut Grassegger führt dies zu einem «Ping-Pong-Effekt». Durch die Verbreitung stachelt ein Attentäter den nächsten an. Im Fall von Neuseeland bezieht sich der Rechtsextreme auf Anders Breivik. Dieser tötete 2011 in Norwegen 77 Menschen.

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