Pendler zahlt für kürzere Zugfahrt mehr als für längere
Zug-Passagier Laurent M. (38) traut seinen Augen kaum, als er für ein Zugticket tiefer in die Tasche greift als sein Kollege – der weiter fährt als er.
Das Wichtigste in Kürze
- 19 Minuten Zug fahren sind günstiger als zehn Minuten.
- So zumindest auf der Strecke Freiburg-Bern zwischen Freiburg und Flamatt FR.
- Schuld sind die Tarifverbünde. Der Preisüberwacher fordert Massnahmen.
Samstagmorgen früh, Ende Juli: Laurent (38) steigt in Freiburg in den Regionalzug nach Bern. Zufällig steigt auch sein Kollege Samuel zu. Laurent löst via SBB-App noch rasch ein Billett nach Schmitten FR, das nur zwei Stationen entfernt liegt. Samuel muss nach Thörishaus Dorf BE. Das liegt fünf Stationen entfernt.
Plötzlich die Verwunderung: Laurent zahlt mit Halbtax fünf Franken, Samuel ebenfalls mit Halbtax nur 4.90 Franken – obwohl er neun Minuten länger Zug fahren wird.
Sogar die Fahrt nach Flamatt, eine Station vor Thörishaus, kostet 6.20 Franken, also 1.30 Franken mehr als bis ins weiter gelegene Thörishaus.
«Ich bin sprachlos», sagt Laurent zu Nau.ch. «Das nächste Mal löse ich ein Billett ins weiter entfernte Thörishaus, wenn ich nach Schmitten oder Flamatt will. So komme ich ja sogar günstiger weg».
Branche arbeitet an «einfacheren Lösungen»
Hat Laurent etwas falsch gemacht? Nein. Der Tarifverbund Libero bestätigt auf Anfrage, dass die Billettpreise tatsächlich so festgelegt sind.
Mediensprecherin Katharina Merkle erklärt: «Es gibt Verbindungen, auf denen zwei Zonentickets günstiger sind als nur ein Streckenticket. Voraussetzung dafür ist ein Bahnhof auf der Strecke, der in zwei Tarifverbünden liegt.»
Die Differenz in den Preisen liegt also im Unterschied zwischen Verbund- und Streckenbilletten. Bei Verbundbilletten kann man innerhalb der gelösten Zonen und Zeit alle Verkehrsmittel unbeschränkt nutzen. Doch oft will man einfach nur von A nach B – wie Laurent. Und dabei nicht für einen Mehrwert zahlen, den man gar nicht braucht.
Dem Preisüberwacher ist dieses Problem bekannt. «Er mahnt schon seit vielen Jahren, dass das duale öV-System zu kompliziert und komplex ist aus Kundensicht», erklärt Jana Josty von der Medienstelle des Preisüberwachers auf Anfrage.
Nur noch ein einziges System gefordert
Der Fall von Laurent ist nämlich kein Einzelfall. Deshalb setze sich der Preisüberwacher dafür ein, «dass es nur noch eine Tarifgrundlage gibt, sodass alle Kundinnen und Kunden ihre Billettpreise eindeutig und mühelos nachvollziehen können», so Josty.
Auch in der Politik und beim Bundesamt für Verkehr BAV sei das Thema angekommen. So hat das BAV die Branchenorganisation Alliance SwissPass nur provisorisch genehmigt und verlangt für die definitive Genehmigung, dass das System vereinheitlicht wird.
So soll es gemäss BAV «sehr bald nur noch eine einheitliche, kundenfreundliche und effiziente nationale Grundlage zur Preisberechnung geben».
Dieser Schritt ist aus der Sicht des Preisüberwachers unumgänglich, wie Jana Josty erklärt. Bis 2025 sollten die Anforderungen an die Branche umgesetzt sein.
E-Tarife in Zürich im Test
Veränderungen seien im Tun, beteuert der Tarifverbund Libero: «Die Branche ist daran, mit dem Projekt myRide den Fahrgästen einfachere Lösungen zu bieten», so Merkle.
Mit myRide würden zurzeit im Grossraum Zürich E-Tarife getestet. Billettkäufe sollen in Zukunft ganz wegfallen.
Die Branchenorganisation Alliance SwissPass, welche die Preise festlegt, geht nicht konkret auf die Fragen von Nau.ch ein. Sie hält lediglich fest, dass sie sich «permanent mit der Weiterentwicklung der Tarifsysteme zugunsten der Kundinnen und Kunden» beschäftigt.