Postauto: Passagiere grüssen nicht mehr – Chauffeure störts
Früher war es normal, dass Passagiere den Chauffeur im Postauto begrüsst haben. Heute nicht mehr – Chauffeure müssen um das «Grüezi» immer mehr kämpfen.
Das Wichtigste in Kürze
- Postauto-Chauffeure vermissen im Postauto die Freundlichkeit.
- Im beliebten ÖV-Mittel war es früher üblich, dass sich Fahrer und Passagier begrüssen.
- Heute geschieht das weniger – schuld sind wohl auch Corona und Handy, aber nicht nur ...
Peter F.* findet seinen Job ziemlich genau gleich schön wie noch vor zehn Jahren. Etwas sei aber schade, so der langjährige Chauffeur von Postauto: Das Hallo-Sagen verschwindet mehr und mehr – auch auf seinen eher ländlichen Strecken.
«Wenn ich Gäste im Postauto mit einem ‹Grüessech› willkommen heisse, kommt immer seltener etwas zurück. Im Gegenteil: Viele Leute ziehen einen Lätsch und schweigen. Dass ich hier vorne am Steuer sitze, bemerken manche wohl gar nicht», erzählt er Nau.ch.
Das fällt nicht nur Chauffeur Peter* auf. Postauto bestätigt, dass solche Rückmeldungen auch direkt beim Betrieb gemacht würden.
Mediensprecher Ben Küchler versteht, dass die Fahrer das Grüezi vermissen. «Man könnte sagen, dass die Begrüssung ein bisschen Teil unserer DNA ist.»
In der Stadt gibts kaum Hoffnung aufs Grüezi
Die Entscheidung liege letztlich aber beim Kunden. «Wir haben vollstes Verständnis, dass unsere Fahrgäste auch das Bedürfnis haben, ungestört ÖV zu fahren. Ein Obligatorium gibt es nicht.»
Grundsätzlich gelte: «Umso näher man sich zu den Städten bewegt, umso weniger wird auch zurückgegrüsst.»
Einen möglichen Grund, dass auch auf ländlichen Strecken wie bei Peter weniger gegrüsst wird, sieht Küchler in der Automatisierung. Wer wissen will, wo der Anschluss-Bus fährt, muss heute nicht mehr den Chauffeur fragen, sondern erfährt es auf den Bildschirmen. «Dadurch wurde der persönliche Kontakt etwas weniger, man erfragt seltener etwas persönlich beim Fahrer.»
Billett gibts am Handy – Leute steigen heute «hinten» ein
«In der Tendenz wird weniger gegrüsst», stellt auch Syndicat, die die Fahrer von Postauto vertritt, fest. Einfluss darauf hätten wohl auch Billettverkauf und -kontrolle.
Mediensprecher Matthias Loosli erinnert: «Lange Zeit oblag die Kontrolle der Fahrausweise den Fahrern. Der Fahrgast stieg in der vordersten Türe ein, zeigte oder kaufte den Fahrausweis. Man grüsste sich zwangsläufig.»
Mittlerweile sei die Kontrolle aber «an Spezialisten übertragen» worden und die Fahrgäste können auch «hinten» einsteigen. «Es findet also mindestens ein Kontakt weniger statt.»
Die Coronapandemie habe diese Distanz noch zusätzlich verstärkt, als die ersten Reihen gar gesperrt wurden.
Viele Infos holen sich Passagiere heute also am Handy. Das führt zum nächsten Punkt, ergänzt Büchler: «Es hat heute sicher mehr Menschen, die Kopfhörer in den Ohren haben oder mit dem Handy beschäftigt sind. So hören sie eine Begrüssung vielleicht nicht.»
Chauffeure grüssen übers Mikrofon – «manchen zu aufdringlich»
Auch Syndicat weiss von den «omnipräsenten Handys und Kopfhörern» Bescheid. «Fahrer würden sich über einen Gruss freuen und erwidern diesen nach Möglichkeit auch gerne. Die Grussformel unterstreicht eine gegenseitige Wertschätzung. Und kann auch ein positives Sicherheitsgefühl vermitteln.»
Wie Postauto stellt aber auch die Gewerkschaft klar, dass «jeder einmal einen schlechten Tag einziehen» dürfe.
Trotzdem: Einige Postauto-Chauffeure beginnen nun, der Nicht-Gruss-Kultur aktiv entgegenzuwirken. Küchler kennt einen Fahrer, «der versucht, auf eine positive und gute Art einen ‹Rückgruss› einzufordern».
Mit Erfolg! Heute sei es so, dass «die Fahrgäste ihn erkennen, kurz die Airpods rausnehmen, ‹Grüezi!› sagen, und dann wieder in ihre Welt eintauchen».
* Name der Redaktion bekannt.