Rätoromanisch: Cordialas gratulaziuns zum Geburtstag
Am 20. Februar 1938 wurde Rätoromanisch die vierte Landessprache. Über 90 Prozent der Schweizer Bevölkerung stimmten dafür.
Das Wichtigste in Kürze
- Am 20. Februar 1938 wurde Rätoromanisch von der Schweizer Bevölkerung mit über 90 Prozent zur Landessprache gewählt.
- Rund 60'000 Menschen, also etwa 0.7 Prozent sprechen die Sprache heute in der Schweiz.
Im Rätoromanischen gibt es fünf verschiedene Idiome: Sursilvan, Sutsilvan, Surmiran, Putér und Vallader. Entstanden sind die verschiedenen Idiome durch die Abgeschiedenheit der Orte.
Die Willensnation
Dass das Rätoromanisch aussgerechnet 1938 mit einer überragenden Mehrheit von der Schweizer Bevölkerung zur vierten Landessprache gewählt wurde, ist kein Zufall. Der zweite Weltkrieg stand kurz bevor und während Nationen wie Deutschland oder Frankreich sich durch eine gemeinsame Sprache, Kultur, Glaube und Geschichte legitimieren konnten, fehlte der Schweiz dieser gemeinsame Nenner.
Schliesslich fanden die Eidgenossen ihre Gemeinsamkeit in der Andersartigkeit: Die Schweizer betonten die kulturelle Vielfalt in ihrem Land, dass sich nicht zu einer Nation zusammengeschlossen hat, weil man gleich spricht oder betet, sondern weil alle Landesteile gemeinsam für Unabhängigkeit und Eigenständigkeit kämpfen wollten. Keine Schicksalsgenossenschaft also, sondern eine Willensnation.
Die geistige Landesverteidigung
Nur rund 60'000 Menschen in der Schweiz sprechen Rätoromanisch, das sind etwa 0,7 Prozent der Landesbevölkerung. Sie alle beherrschen aber nicht nur das
Rätoromanisch, sondern mindestens auch Deutsch. Viele zudem Italienisch. Das war allerdings nicht immer so: Noch vor 1860 sprachen die meisten Bündner
Rätoromanisch.
Wie Andreas Gabriel, Medienleiter der Lia Rumantscha,
zu «FM1 Today» sagt, lebt rund ein Drittel davon nicht mehr im Kanton Graubünden. Noch vor 20 Jahren galt Rätoromanisch vor allem als Sprache des Bergvolkes, heute ist sie überall verstreut.
1938 war der Zweite Weltkrieg bereits zum greifen nah. Um die Schweizer Bevölkerung vor dem Gedankengut aus dem nationalsozialistischen Deutschland zu schützen, betonten Gesellschaft und Politik die Eigenarten der Eidgenossen, das typisch Schweizerische.
Die eidgenössischen Vielfalt mit einer weiteren Landessprache zu betonen, war der nächste logische Schritt dieser Bewegung, die als geistige Landesverteidigung in die Geschichte eingehen sollte.
Sprachkurse sehr gefragt
Die Nachfrage nach romanischen Sprachkursen sei derweil gross, berichtet Gabriel. «Die Leute sind fasziniert, weil es eine Sprache ist, die wenige sprechen oder sie denken sich, ‹die anderen drei Sprachen beherrsche ich schon, jetzt möchte ich diese auch noch lernen›.»