RBS: Neue Züge haben keine WCs – trotz Beschwerden
Dass es in den orangen Zügli zwischen Bern und Solothurn keine WCs gibt, sorgt für Kritik. Auch bei der neuen Anschaffung verzichtet der RBS darauf. Die Gründe.
Das Wichtigste in Kürze
- In den Zügen des RBS gibt es seit den 90er-Jahren keine WCs mehr.
- Das sorgte in Vergangenheit für Kritik.
- Auch bei den neuen Zügli fehlen die WCs – der RBS nimmt Stellung.
Die Regio-Express-Strecke zwischen Solothurn und Bern ist nichts für schwache Blasen!
In den orangen Zügli, die auf der 35 Minuten langen Strecke verkehren, gibt es nämlich keine Toiletten. Und das bereits seit den 90er-Jahren.
Grund: Messungen ergaben damals, dass die WCs zu wenig häufig aufgesucht werden. Vor allem wegen den vergleichsweise kurzen Fahrzeiten auf dieser Strecke.
Doch: Der WC-Boykott sorgt immer wieder für Kritik. «Unser Kundendienst hat dieses Jahr eine Handvoll Rückmeldungen zu diesem Thema erhalten», bestätigt der Regionalverkehr Bern-Solothurn (RBS) auf Anfrage.
«Es ist uns bewusst, dass die fehlenden Toiletten immer wieder diskutiert werden. Und für einige Fahrgäste ein grosser Stein des Anstosses sind», sagt der RBS.
So etwa für den in Biberist SO aufgewachsenen Nau.ch-Leser Christoph K.* (44). Er sagt: «Ich habe mich schon als Jugendlicher darüber geärgert.»
Noch heute versteht er nicht, warum der RBS keine WCs in den Zügen hat. «Bei anderen ÖV-Betreibern geht es doch auch.»
Nau.ch-Leser Balthasar F.* (64), der regelmässig zwischen Bern und Solothurn pendelt, bläst ins gleiche Horn. «Ich habe mich zwar inzwischen daran gewöhnt – ideal ist es aber ganz sicher nicht.»
Auch in den neuen Zügen gibts keine WCs
Eine Gelegenheit, WCs einzubauen, würde sich eigentlich in den nächsten Jahren ergeben. Denn: Der RBS schafft neues Rollmaterial an.
Zwischen 2028 und 2030 sollen insgesamt 20 neue Stadler-Züge auf der Regio-Express-Linie in Betrieb genommen werden. Die älteste Flotte soll damit ersetzt werden – und der Reisekomfort gesteigert werden. Kostenpunkt: rund 190 Millionen Franken.
Die 60 Meter langen Züge verfügen über barrierefreie Einstiege, Stauraum für Kinderwägen, Velos und Rollstühle. Auch Klimaanlagen und Steckdosen werden montiert. Aber: WCs wird es auch in Zukunft nicht geben.
RBS: Busse haben auch kein WC
Bei Pendlerinnen und Pendlern sorgt das für Unverständnis. Aldo Hänni, Sektions-Präsident «Pro Bahn Espace Mitteland», bestätigt gegenüber Nau.ch: «Bei jeder Neubeschaffung des RBS kommt diese Frage wieder ins Spiel.»
Auch der RBS beteuert, dass man den Wunsch nach WC-Anlagen durchaus berücksichtigt habe. Sprecher Stefan Häberli sagt zu Nau.ch: «In einer Vorstudie wurde diese Frage eingehend geprüft und aufgrund des Verhältnisses von Aufwand und Nutzen erneut verworfen.»
Er betont: Man «anerkennt den Wunsch, dass bei längeren Fahrzeiten ein WC vorhanden sein sollte.» Nach Berücksichtigung verschiedener Argumente habe man sich aber gegen einen Einbau entschieden.
Einerseits verweist Häberli auf die maximale Fahrzeit von 35 Minuten auf der Strecke Solothurn-Bern. «Ähnlich lange unterwegs sind zum Beispiel viele Busse, die auch über kein WC verfügen.» Überall, wo der Regio-Express hält, sei zudem eine WC-Anlage am Bahnhof vorhanden.
Mit Klo würden zehn Prozent der Sitzplätze wegfallen
Auch ÖV-Experte Aldo Hänni von «Pro Bahn» differenziert die WC-Thematik. Folgenden Punkt müsse man insbesondere im Hinterkopf behalten. «Jede Toilette nimmt Sitzplätze weg», sagt er.
RBS-Sprecher Stefan Häberli wird konkret: «Eine rollstuhlgerechte Toilette im Zug würde die Anzahl der Sitzplätze um bis zu 16 reduzieren.» Damit würden mehr als zehn Prozent der Gesamtzahl an Sitzplätzen wegfallen!
21 Erste-Klasse-Sitzplätze und 103 Sitzplätze sowie 15 Klappsitze in der zweiten Klasse sind nämlich in den neuen Zügen vorgesehen.
Ohne WCs weniger Drogenhandel im Zug
Zum Verdrängungs-Effekt durch die Toiletten komme: «Die WCs in Zügen sind oft eine Quelle für verschiedene Probleme wie Brandstiftung, Drogenkonsum und Drogenhandel. Auch Geruchsemissionen lassen sich erfahrungsgemäss nie ganz vermeiden.»
Zudem können ohne Zug-WCs die Innenräume übersichtlicher gestaltet werden. Und: «Letztlich spielt auch der Kostenfaktor eine Rolle.» Nicht nur die Beschaffung ist kostspielig – auch im Unterhalt durch die Reinigung und Entsorgung seien die WCs «sehr teuer».
«Diese Kosten würden sich negativ auf die Wirtschaftlichkeit des Zugbetriebs auswirken», so Häberli.
WCs an RBS-Bahnhöfen werden gewartet – und erneuert
RBS-Sprecher Stefan Häberli verweist zudem darauf, dass die WC-Anlagen an den Regio-Express-Haltestellen regelmässig gewartet werden. «Im Zuge geplanter Ausbaumassnahmen werden alle RE5-Bahnhöfe bis voraussichtlich 2030 modernisiert. Dabei werden auch die sanitären Anlagen erneuert.»
Diese entsprechen nämlich noch nicht den aktuellen Standards hinsichtlich Barrierefreiheit und gegen Vandalismus-Schutz.
An Bahnhöfen auf der Strecke Bern-Solothurn, an denen nur die S-Bahn hält, sind WC-Anlagen hingegen eine Seltenheit. So sorgte kürzlich der Umbau des Bahnhofs Ittigen BE für Ärger – weil es dort seither keine Toilette mehr gibt.
Branchenkenner Aldo Hänni hält sich mit Forderungen zu WCs in den orangen Zügli selbst zurück. Zur WC-Situation an den Bahnhöfen sagt er aber: «Wir von ‹Pro Bahn Espace Mittelland› fordern daher, dass mindestens an jeder RBS-Haltestelle eine Toilette vorhanden ist.»
Das sei aber nicht nur Aufgabe des ÖV-Betreibers, sondern auch jene der beteiligten Gemeinden. Diese müssen nämlich die Baubewilligungen dafür genehmigen.
* Namen von der Redaktion geändert