Säugling mit Schütteltrauma: Beschuldigter streitet Vorwürfe ab
Ein 34-jähriger Mann soll seinen damals achtwöchigen Sohn lebensgefährlich verletzt und etliche weitere Delikte begangen haben. Am ersten Prozesstag am Ausserrhoder Kantonsgericht wurden die Vorwürfe betreffend Kindsmisshandlung verhandelt.
Das Wichtigste in Kürze
- Im Juni 2018 brachte der Beschuldigte seinen damals achtwöchigen Sohn mit diversen Verletzungen ins Spital.
Nach eigenen Angaben rührten diese von einem Sturz vom Wickeltisch her. Dort habe der 34-Jährige seinen Sohn kurz hingelegt, um zu duschen. In einem unbeobachteten Moment sei das Kind dann heruntergefallen.
Dass er seinen Sohn, wie von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, geschüttelt und ihm diverse Hämatome zugefügt sowie den linken Ober- und Unterschenkel gebrochen habe, bestritt der Angeklagte an Schranken nicht direkt. Er bezeichnete die Vorwürfe aber als Beleidigung. Dass der Sturz passiert sei, bereue er zutiefst.
Das rechtsmedizinische Gutachten kommt zum Schluss, die Verletzungen könnten aufgrund der relativ geringen Fallhöhe und der Verteilung der Hämatome nicht vom angeblichen Sturz herrühren.
Die rechtsmedizinischen Gutachter hätten unsauber gearbeitet, sagte der Beschuldigte dazu. Den Antrag seines Verteidigers, ein neues rechtsmedizinisches Gutachten erstellen zu lassen, wies das Gericht als unbegründet ab.
Die Frau des Angeklagten, die wegen Unterlassung und vernachlässigter Fürsorgepflicht ebenfalls auf der Anklagebank sass, bestritt, dass der Mann ihren gemeinsamen Sohn absichtlich verletzt habe.
Gemäss Anklage hatte die Frau das Kind für ein paar Stunden der Obhut ihres Mannes übergeben, obwohl es diverse Anzeichen gegeben habe, dass der Vater im Umgang mit dem Kleinkind überfordert gewesen sei. Dies gehe aus sichergestellten Chat-Verläufen hervor.
Am Tag des Vorfalls habe sie dem Mann geschrieben: «Bitte 'touch' unseren Sohn nicht mehr. Du musst nur einmal zu fest etwas machen oder am falschen Ort und er ist weg. Ich bitte dich, er ist noch so klein.»
Es gebe mehr als genug Indizien dafür, dass der Beschuldigte sein Kind misshandelt habe, sagte die Staatsanwältin. Die Verletzungen seien allesamt sturzuntypisch.
Zwei psychiatrische Gutachten bescheinigten dem Vater eine «narzisstische Persönlichkeitsstörung mit impulsiven und dissozialen Anteilen» und der Mutter Unterwerfung und Abhängigkeit. Auch dies beweise die Schuld des Mannes.
Der Mann soll die Frau zudem beeinflusst haben, indem er sie beauftragte, einen Termin bei der Hebamme kurz nach dem Vorfall abzusagen. Damit habe er die Verletzungen des Buben vertuschen wollen. Der Beschuldigte habe sich während des gesamten Verfahrens als wenig glaubwürdig erwiesen.
Die Staatsanwaltschaft beantragte für den Tunesier wegen versuchter vorsätzlicher Tötung und Körperverletzung eine Freiheitsstrafe von zehn Jahren und neun Monaten sowie eine Busse von 2500 Franken. Die Frau sei aufgrund Unterlassung und Verletzung der Fürsorge- und Aufsichtspflicht zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren zu verurteilen.
Der Verteidiger des Vaters betonte in seinem Plädoyer vor allem, dass im Verfahren andere Möglichkeiten, wie es zu den Verletzungen auch noch hätte kommen können, zu wenig geprüft worden seien. Der Vater sei in Panik geraten, als er seinen Sohn reglos am Boden habe liegen sehen. Eine eventuelle Schüttelbewegung hätte so auch unbeabsichtigt erfolgen können.
Es sei in den wesentlichen Anklagepunkten schleierhaft, wie die Verletzungen des Kindes im Detail zustande gekommen seien. Man stelle sich beim Tatmotiv viel zu stark auf die Chat-Nachrichten ab, die aber nicht belegten, dass es auch schon früher zu Gewalt gegenüber dem Kind gekommen sei.
Der Verteidiger der Frau wiederum sagte, seine Mandantin habe zu keinem Zeitpunkt davon ausgehen müssen, dass dem Kind Gefahr drohe. Die Verteidigung forderte für beide Beschuldigte vollumfängliche Freisprüche.
Die Opfervertreterin gab an, das Kind habe sich mittlerweile gut von den Verletzungen erholt. Langfristige Auswirkungen seien allerdings noch nicht absehbar.
Die weiteren Anklagepunkte gegen den Beschuldigten werden am kommenden Dienstag im Obergerichtssaal in Trogen verhandelt.