SBB hält an Zügen mit gefährlichen Türen fest
Nach dem tödlichen Unfall empfiehlt die Sust im Zwischenbericht zwei Änderungen am Wagentyp. Die SBB hingegen sieht derzeit keinen Handlungsbedarf.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Sust empfiehlt im Zwischenbericht zum tödlichen Unfall zwei Änderungen an den Türen.
- Die SBB sieht kein Sicherheitsrisiko, die Wagen mit der aktuellen Technik einzusetzen.
Die Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle (Sust) hat einen Zwischenbericht zum tödlichen Unfall in Baden AG veröffentlicht. Schuld war ein defekter Einklemmschutz. Konkret: Am Druckwellenschalter war eine Anschlussfahne des elektrischen Kontaktes komplett lose.
Die SBB hat als Sofortmassnahme eine Überprüfung sämtlicher Türen eingeleitet, um solche Defekte festzustellen und zu beseitigen.
Zwischenbericht der Sust ruft zum Handeln auf
Die Sust hat allerdings noch weitere Mängel aufgelistet. Einerseits habe der Sensor des Einklemmschutzes «keinen zuverlässigen Schaltpunkt». Deshalb sei die Komponente durch ein «zuverlässiges System zu ersetzen.»
Andererseits wird das Überwachungssystem der Türe bemängelt. Im Führerstand leuchtet eine Kontrolllampe solange mindestens eine Türe geöffnet ist. Wegen der falschen Verdrahtung kann die Kontrolllampe jedoch erlöschen, obwohl eine Türe nicht ganz verschlossen ist, wie es beim Unglück der Fall war.
Zur zuverlässigen Überwachung der Türverriegelung empfiehlt die Sust, die Verdrahtung zu ändern. Die Endschalter müssen parallel statt wie bisher seriell verdrahtet sein.
Damit wird verhindert, dass die Lampe bereits bei der Vorverriegelung löscht, wenn der erste Sensor anspricht.
SEV fordert Änderungen am Abfertigungsprozess
Die Gewerkschaft des Verkehrspersonals (SEV) geht noch weiter. Sie fordert, dass Wagen, bei denen der Einklemmschutz nicht funktioniert, aus dem Verkehr gezogen werden. Doch das Vorgehen der SBB sieht vor, die Türen zu sperren, als defekt zu melden und den Wagen wieder im Betrieb einzusetzen.
Die SEV forderte ausserdem bereits am 15. August eine Änderung des Prozesses zur Erteilung der Abfahr-Erlaubnis. Der Zugbegleiter solle die Erlaubnis neu erst «nach dem Einsteigen und Schliessen der Türe» erteilen.
Und: «Die Wagen EW IV unverzüglich mit einem Blockiersystem der Einstiegstüre auszurüsten.» Die SBB habe jedoch zu diesen Forderungen bisher nicht Stellung genommen.
Manuel Avallone, Vizepräsident der SEV, teilte auf Anfrage mit, die Gewerkschaft warte «leider immer noch auf den Termin mit der SBB, der für diese Woche angekündigt war.» An diesem Termin wollte die SBB über den Stand der Überprüfungen der Wagen informieren.
SBB will die Wagen weiterhin betreiben
Der Abfertigungsprozess wurde nicht angepasst, die Wagen sind ebenfalls nach wie vor im Einsatz. Die SBB kam bei ihrer Analyse zum Schluss, dass von den Türen kein Sicherheitsrisiko ausgehe.
Auf Anfrage schreibt die Medienstelle der SBB: «Gemäss jetzigem Wissensstand und der aktuellen Sicherheitseinschätzung der SBB können die Wagen mit der eingebauten Technik weiterhin sicher betrieben werden.»
Sollte sich diese Einschätzung jedoch ändern, würden geeignete Massnahmen ergriffen, unabhängig von den Auswirkungen auf den Betrieb.
Eine interne Expertengruppe der SBB prüfe, ob durch Prozessanpassungen die Sicherheit weiter erhöht werden könne. Diese Analysen würden auch mit der Personalkommission besprochen.
Bundesamt für Verkehr muss entscheiden
Die Sust selbst richtet die Sicherheitsempfehlungen an das zuständige Bundesamt, in diesem Fall das Bundesamt für Verkehr (BAV). Das BAV entscheidet danach, welche Massnahmen getroffen werden.
Auf Anfrage von Nau teilt das BAV mit, es sei daran die Empfehlungen der Sust zu analysieren und zu prüfen, wie damit umzugehen sei. Mit einer Entscheidung könne in den nächsten Tagen gerechnet werden.