Schnitzer: Kantons-Verlag muss neues Helene-Bossert-Buch einstampfen
In den wissenschaftlichen Lauftexten zur Baselbieter Mundartdichterin verschwanden unbemerkt alle Ziffern der Fussnoten. Das Weihnachtsgeschäft geht flöten.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Oberbaselbieter Dichterin Helene Bossert wird mit einem Buch geehrt.
- Bei diesem hat sich jedoch der Fehlerteufel eingeschlichen.
- Die Ziffern der Fussnoten verschwanden, das gedruckte Buch wurde wertlos.
- Eine neue, korrigierte Auflage soll erst nach Weihnachten erscheinen.
Es war zu Ehren der verstorbenen Oberbaselbieter Dichterin Helene Bossert (1907–1999) alles angerichtet: Im Dichtermuseum Liestal fand am 8. November die feierliche Vernissage der Ausstellung zum Werk der facettenreichen Schriftstellerin statt.
Die Schau vermittelt Eindrücke aus Bosserts bewegtem Leben und ihrer Literatur. Parallel dazu erschien – elegant aufs Weihnachtsgeschäft hin – im kantonseigenen «Verlag Baselland» ein Buch unter dem Titel «Helene Bossert – Heimatdichtung und Hexenjagd».
Der spannend geschriebene zeitgeschichtliche Band analysiert Bosserts Schaffen wissenschaftlich auf der Basis des im Staatsarchiv deponierten Nachlasses mit Texten und Dokumenten.
Zu den Autorinnen und Autoren zählen reihum bekannte Namen: Jan Arni, Ruedi Brassel, Jennifer Degen, Ruedi Epple, Stefan Hess, Rea Köppel, Regula Nebiker, Rhea Rieben. Ausstellungskuratorin Köppel und Dichtermuseums-Leiter Hess figurieren als Herausgeber. Das Vorwort schrieb Staatsarchivarin Jeannette Rauschert.
Mit der in den damaligen Zeitgeist eingebundenen Biografie sei «ein Denkmal» geschaffen worden, «das beredt, in Wort und Schrift, Bosserts Geschichte erzählt und weiterträgt», so Rauschert.
Anmerkungen werden wertlos
Die Recherche mündete in ein 257 Seiten starkes Buch in aufwendigem Layout, das der Schriftstellerin in umfassender Detailsicht gerecht wird: Laut Verlagsmitteilung gehörte Helene Bossert in der Mitte des 20. Jahrhunderts «zu den bekanntesten Mundart-Autorinnen der Deutschschweiz». Die Lokalzeitungen «bz» und «Volksstimme» begleiteten das Werk umfassend publizistisch.
Doch Freude mochte nach Auslieferung der Publikation weder unter den Schreibenden noch im Verlag aufkommen. Vielmehr verursachte ein Fehler in der Grafik für gehörigen Schrecken: Denn mit Ausnahme der Einleitung verschwanden unmittelbar vor der Drucklegung in sämtlichen Lauftexten die Ziffern der Fussnoten.
Damit wurden die dichten 15 Seiten umfassenden Anmerkungen am Ende des Werks so gut wie wertlos. In der letzten lektorierten Version waren die Ziffern noch vorhanden.
Verlag entschuldigt sich
Etwas kleinlaut erwähnt der Verlag unter der Leitung von Susanne Wäfler diesen «Mangel» auf seiner Website in einem «Erratum». Darin drückt er sein Bedauern aus und bittet «für dadurch entstehende Unannehmlichkeiten» um Entschuldigung.
Schon ausgelieferte Bücher der fehlerhaften Auflage (offizieller Preis: 39 Franken) werden jetzt zum Halbtax-Preis von 20 Franken angeboten.
«Damit der wissenschaftliche Anspruch, der durch das Fehlen der Anmerkungsziffern im Fliesstext nicht mehr gewährleistet ist, dennoch Bestand hat», soll Käuferinnen und Käufern des Fauxpas-Exemplars voraussichtlich im Januar behelfsmässig «ein korrigiertes PDF-Dokument kostenlos zur Verfügung» gestellt werden, das «für die Zuordnung der Anmerkungen herangezogen werden kann».
Buch wird nochmals gedruckt
Doch damit nicht genug. Der Verlag plant einen Nachdruck, eine zweite, verbesserte Auflage sozusagen. Kunden, die ein mangelhaftes Exemplar zum regulären Preis gekauft haben, können laut Verlag «kostenlos ein neues Exemplar beziehen, sobald der Nachdruck vorliegt». Dies dürfte voraussichtlich im ersten Quartal des neuen Jahres der Fall sein.
Literarische Insider, die «OnlineReports» während der Recherche kontaktierte, sprachen von «Kopfschütteln» und einer «Peinlichkeit sondergleichen».
Der Anerkennung von Leben und Werk der gelernten Sprachpädagogin Bossert tut das Malheur keinen Abbruch. Die Friedensaktivistin hatte im September 1953 – mitten im Kalten Krieg – eine Studienreise in die damalige Sowjetunion unternommen, was ihr die Schweizer Bevölkerung lange verübelte: Sie wurde «regelrecht gecancelt», schrieb die «bz». Die Polizei bespitzelte Bossert, sie verlor die Arbeit beim Radiostudio Basel und wurde nicht mehr zu Lesungen eingeladen.
Schrittweise rehabilitiert
Im Verlaufe der Jahre wurde Helene Bossert allerdings schrittweise rehabilitiert, vollends mit der Verleihung des Baselbieter Literaturpreises im Jahr 1988.
Mit «Ende gut – alles gut» dürfte auch das neuste Bossert-Buch in die Baselbieter Verlagsgeschichte eingehen, wenn die korrigierte zweite Auflage die Druckmaschinen verlassen haben wird.
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Hinweis: Dieser Artikel wurde zuerst im Basler Newsportal «OnlineReports» publiziert.