Schweiz nimmt dramatische Corona-Lage mit Gelassenheit

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Bern,

Viele Menschen empfinden die Corona-Strategie der Schweiz zu lasch. Beispielsweise wettert ein Schweizer Historiker gegenüber dem Schweizer Radio und Fernsehen.

Maske Coronavirus einkaufen
Eine Frau mit Maske kauft wegen des Coronavirus mit Maske in einem Laden ein. (Symbolbild) - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Die zweite Corona-Welle rollt über Europa.
  • Die Schweiz ist mit ihrer laschen Corona-Strategie oft in den Schlagzeilen.

Man stelle sich vor, in Deutschland würden täglich doppelt so viele Corona-Infektionen gezählt. Und es wären mehr als doppelt so viele Menschen gestorben. Noch drastischere Massnahmen wären wohl die Folge.

Nicht so in der Schweiz. Dort ist Gelassenheit angesagt. Die Corona-Lage in der Schweiz ist dramatisch. Pro 100'000 Einwohner gab es zuletzt innerhalb von sieben Tagen 351 Infektionen, in Deutschland unter 140.

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Eine Frau mit Maske in einem Laden. (Symbolbild) - Keystone

Seit Beginn der Pandemie sind pro 100'000 Einwohner in der Schweiz 41 Menschen gestorben, in Deutschland 16. Das sind Spitzenwerte im europäischen Vergleich. Und dennoch geben sich Politik, Behörden und die Gesellschaft entspannt.

Vielerorts sind Bars, Restaurants und Kinos geöffnet. Auf Märkten herrscht reges Treiben, in Kasinos wird gezockt und in Fitnesscentern geschwitzt. Die Bundesregierung hob die Höchstzahl von 1000 Zuschauern bei Grossveranstaltungen am 1. Oktober auf.

Joseph de Weck spricht mit Schweizer Radio und Fernsehen

«Die Schweiz stellt Sparsamkeit über das Leben», titelte die US-Zeitschrift «Foreign Policy» gerade. Der Autor Joseph de Weck, ein Schweizer Historiker, ist empört über einen Satz von Finanzminister Ueli Maurer. Er meinte, die Schweiz könne sich keinen zweiten Lockdown leisten.

«Er zeigt, dass eine Debatte über eine Güterabwägung zwischen Gesundheit und Geld in der Schweiz in Ordnung ist.» Das sagte de Weck dem Schweizer Radio und Fernsehen SRF. Maurer steht dazu.

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Finanzminister Ueli Maurer spricht an einer Pressekonferenz in Bern, übertragen vom Schweizer Radio und Fernsehen. - Keystone

Eigentlich müssten die Kantone handeln. Föderalismus ist eine heilige Kuh in der Schweiz. Die Kantone verteidigen ihre Hoheiten mit Zähnen und Klauen. Nur zu Beginn der Corona-Pandemie hielten sie sich zurück.

Im Frühjahr übernahm kurz die Bundesregierung das Zepter und schloss für vier Wochen alle Geschäfte. Doch nach der ersten Entspannung löste der Krisenstab sich im Juni auf und überliess die Verantwortung wieder den Kantonen. Mit fatalen Folgen.

Genf stark betroffen

Im Oktober sind die Infektionszahlen explodiert, trotz wochenlanger Mahnungen der Wissenschaftler. Dutzende Ökonomen schrieben Anfang November einen offenen Brief: «So schwer es fällt, die Schweiz braucht einen zweiten Lockdown. Gekoppelt mit umfassenden fiskalischen Unterstützungsmassnahmen, um weiteren Schaden durch die Corona-Pandemie abzuwenden.»

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In Genf eskalierte die Corona-Situation beinahe. - Keystone

Im Kanton Genf geriet die Lage fast ausser Kontrolle, mit deutlich über 1000 Fällen pro 100'000 Einwohner. So schlimm war es in keiner Region Europas. Anfang November reagierte die Kantonsregierung mit einem Lockdown.

Das Bundesamt für Gesundheit bleibt entspannt: «Die Entwicklung stimmt mich tatsächlich vorsichtig optimistisch, es sieht nach einer Trendwende aus», sagte die Chefin Anne Lévy dem «Sonntagsblick». Die Sieben-Tage-Inzidenz ist von mehr als 450 pro 100'000 auf zuletzt rund 350 Neuinfektionen binnen einer Woche gefallen.

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