Schweizer Studie zu Coronavirus: So breiten sich neue Varianten aus
Die Delta-Variante löst in Grossbritannien eine Zunahme des Coronavirus aus, die andernorts ausbleibt. Eine Schweizer Studie entschlüsselt die Verbreitung.
Das Wichtigste in Kürze
- Schweizer Epidemiologen haben eine neue Studie in «Nature» veröffentlicht.
- Darin beschreiben sie, wie sich Varianten des Coronavirus verbreiten.
- Autorin Emma Hodcroft zieht Rückschlüsse für die aktuelle Situation.
Es ist wohl eine der bisher prominentesten Arbeiten zum Coronavirus aus der Schweiz: Am Montag wurde die Studie im angesehenen Fachblatt «Nature» veröffentlicht. Die Studie beschäftigt sich mit der Verbreitung der Variante «EU1» im vergangenen Sommer.
«EU1» wurde längst von anderen Mutationen verdrängt. Doch angesichts der Delta-Variante in Grossbritannien bleibt die Frage nach der Varianten-Verbreitung aktuell. Gegenüber Nau.ch erklärt die federführende Epidemiologin Emma Hodcroft, was wir aus der Studie über die aktuelle Varianten-Situation lernen.
«Spanische Variante» blieb Randnotiz
Im vergangenen Spätsommer stellte Hodcroft fest, dass sich eine neue Variante des Coronavirus in ganz Europa ausgebreitet hatte. Die «spanische Variante» EU1 war nicht ansteckender als vorherige Varianten – dennoch konnte sie sich gegenüber diesen durchsetzen.
Die Frage, wieso dies so war, konnte lange nicht beantwortet werden. In der neuen Studie halten die Autoren fest: Dass sich die Variante trotzdem durchsetzen konnte, lag wohl an der Reiseaktivität im vergangenen Sommer. Demnach bildeten Touristen in der Zeit, in der es ansonsten wenige Infektionen gab, Keimzellen für die Verbreitung der neuen Variante.
Konsequenzen für die Delta-Variante des Coronavirus
«Wir befinden uns noch immer im Frühstadium des Verständnisses der Delta-Variante», erklärt Hodcroft. Dennoch könnten ähnliche Prozesse wie bei «EU1» für die Verbreitung der Delta-Variante verantwortlich sein: «Von EU1 wissen wir, dass von Reisenden eingeführte Viren den Unterschied machen können.»
Auch «EU1» habe sich in anderen Ländern aufgrund unterschiedlicher Reiseaktivitäten unterschiedlich stark durchgesetzt, erklärt Hodcroft. Das Vereinigte Königreich hat enge Verbindungen zu Indien. Daher dürften in Grossbritannien deutlich mehr Fälle der in Indien erstmals aufgetauchten Delta-Variante eingeschleppt worden sein.
Dennoch bleibe die Delta-Variante des Coronavirus schwer einzuschätzen: «Es gibt Hinweise, dass die Delta-Variante einen Übertragungsvorteil aufgrund viraler Änderungen hat.»
Optimismus vor dem Reise-Sommer
«Die gute Nachricht für diesen Sommer ist, dass wir zwei Dinge haben, die wir letzten Sommer nicht hatten: Impfstoffe und viel mehr Tests», erklärt Hodcroft. Mit der Impfung sinke die Wahrscheinlichkeit, das Coronavirus zurückzubringen, deutlich.
«Aber der Impfschutz ist nicht perfekt und es ist noch lange nicht jeder in Europa geimpft.» Die mittlerweile eingeführte Testpflicht bei Ein- und Rückreise dürfte das Risiko von eingeschleppten Infektionen senken.
Doch trotz der grossen Fortschritte bleibe ein Restrisiko. «Es ist wichtig, die Fallzahlen in anderen Ländern und den Einfluss von Reise-Infektionen zu beobachten.» Das Contact Tracing bleibe dabei essenziell: «Es ist wichtig, dass die wenigen Infektionsherde, die wir übersehen, schnell eingedämmt werden, um Infektionsketten zu unterbrechen.»
«Ich möchte den Menschen nahelegen, dass sie sich vor einer Reise impfen lassen», schliesst Hodcroft. «Wer reisen geht, sollte flexibel bleiben, vielleicht einmal mehr an den Strand und einmal weniger in den Klub gehen. Wenn ein Ort überfüllt scheint, sollte man vielleicht ein anderes Mal zurückkommen – das alles kann den Unterschied machen.»