Sind Weihnachtsfilme mehr als Kitsch mit Happy End?
Weihnachtsklassiker wie «Drei Haselnüsse für Aschenbrödel» und «Love Actually» werden oft als kitschig kritisiert – zu Unrecht, sagt Medienforscherin Hnilica.
Weihnachtsklassiker wie «Drei Haselnüsse für Aschenbrödel» und «Love Actually» fluten zur Adventszeit das TV- und Streaming-Angebot. Kritiker finden sie oft nur kitschig, süsslich und vorhersehbar – zu Unrecht, findet die deutsche Medienforscherin Irmtraud Hnilica.
«Happy sind nur die letzten zehn Minuten, die 80 Minuten davor zeigen oft das wahre Leben», sagt die deutsche Wissenschaftlerin, die sich seit Jahren mit Weihnachtsfilmen beschäftigt und dazu mit zwei Kolleginnen zusammen zwei Bücher herausgegeben hat. Im Happy End würden sozial desintegrierte Personen wieder in die Gemeinschaft zurückgeführt. Beispielhaft dafür seien Figuren wie der grüne Grinch, der Weihnachten stehlen will, oder der geizige Ebenezer Scrooge aus Charles Dickens' «A Christmas Carol».
«Die Filme diskutieren auch, wie gesellschaftliche Integration gelingen kann», sagt Hnilica. Der Weihnachtsklassiker «Love Actually» von 2003 etwa zeigt dies in mehreren Handlungssträngen: Einer erzählt vom kleinen Sam, der nach dem Krebstod der Mutter allein mit seinem Stiefvater lebt, ein anderer vom Schriftsteller Jamie, der von seiner Freundin mit seinem eigenen Bruder betrogen wurde. Armut thematisiert dagegen der Film «Little Lord Fauntleroy» aus dem Jahr 1980. Er zeigt verheerende Lebensbedingungen beim Ritt des Earls mit dem kleinen Lord durchs Dorf.
Spannung aus problematischen Familienverhältnissen
Auch die beiden besonders beliebten Weihnachtsfilme «Home Alone» und «Drei Haselnüsse für Aschenbrödel» beziehen ihre Spannung aus wenig romantischen Familienverhältnissen: Wer vergisst schon seinen achtjährigen Sohn zu Hause – wie die Familie McCallister ihren Kevin im Film bei der Fahrt in den Urlaub? Und Aschenbrödel wäre nach heutigen Kriterien in ihrer Familie ein Mobbing-Opfer.
Zum Weihnachtsfilm gehört, dass bei der Auflösung auch Engel oder märchenhafte Wendungen helfen dürften, sagt die Forscherin. Beispielsweise in einem der Ur-Weihnachtsfilme «It's a Wonderful Life» von Frank Capra aus dem Jahr 1946, in dem der Engel Clarence den von James Stewart gespielten lebensmüden Geschäftsmann George vom Sprung ins Wasser abhält.
Heutige Vorstellung des Festes
Filme wie jener von Capra seien nach dem Zweiten Weltkrieg in einer besonders trostbedürftigen Zeit entstanden, sagt die Forscherin. Mit ihrer typischen Ästhetik mit Schnee, Tannenbaum, Kutschen und Glocken sowie roten, grünen und goldenen Farben hätten die Filme die heutige kulturelle Vorstellung des Weihnachtsfestes insgesamt geprägt. Vorher, im 19. Jahrhundert, zeigten Weihnachtskarten noch ein viel nüchterneres Bild vom Fest, hat Hnilica bei Auswertungen festgestellt.
Ein bisschen Romantik ist also erlaubt. Und das gemeinsame Anschauen von Weihnachtsfilmen hat – ob man sie mag oder nicht – auf jeden Fall eine positive Auswirkung: «Als soziales Medienritual dient das gemeinsame Anschauen von Weihnachtsfilmen auch der Emotionsregulation», sagt die Wissenschaftlerin. «Während der Weihnachtsfilm läuft, ist man jedenfalls von der gelegentlich ja auch ein bisschen anstrengenden familiären Kommunikation entlastet.»