SNB-Chef lehnt Staatsaufgaben-Finanzierung durch Notenbank klar ab
Thomas Jordan, Chef der Schweizer Nationalbank (SNB), lehnt eine direkte Finanzierung von Staatsaufgaben von der Bank ab.
Das Wichtigste in Kürze
- Einige Politiker fordern, dass Teile der Gewinne der SNB in die AHV eingezahlt werden.
- SNB-Chef Thomas Jordan lehnt diese Idee jedoch klar ab.
- Sie stehe nicht im Einklang mit zwei zentralen ordnungspolitischen Prinzipien.
Vorstösse aus der Politik, die von der Schweizerischen Nationalbank (SNB) eine direkte Finanzierung von Staatsaufgaben fordern, haben Hochkonjunktur. SNB-Direktionspräsident Thomas Jordan wäre darüber jedoch nicht begeistert.
Solche Forderungen seien aus einer ordnungspolitischen Perspektive «klar abzulehnen», sagte Jordan am Freitag in einem Referat an der Universität Luzern. Das würde eine Situation schaffen, in der die Erfüllung dieser Aufgaben direkt von der Geldpolitik abhängig werde. Das erklärte Jordan laut Redetext.
Vor allem aber stehe die Finanzierung von Staatsaufgaben durch die Nationalbank nicht im Einklang mit zwei zentralen ordnungspolitischen Prinzipien. Erstens müsse die Preisstabilität die massgebliche Richtschnur für die Geldpolitik darstellen.Zweitens muss die Zentralbank unabhängig von der Politik sein, so Jordan.
Hohe Gewinne der SNB in den letzten Jahren
Die Begehrlichkeiten dürften mit der Zunahme der SNB-Bilanz und den Gewinnen der Notenbank in den vergangenen Jahren zu tun haben. Die hohen Gewinne hätten zu einem Anstieg der sogenannten Ausschüttungsreserve geführt, die Ende 2021 103 Milliarden Franken betrug.
Die guten Ergebnisse der vergangenen Jahre seien aber in einem aussergewöhnlichen Finanzmarktumfeld angefallen. Und dieses Umfeld habe sich nun stark verändert. Der SNB-Chef erinnerte daran, dass die Nationalbank im ersten Halbjahr 2022 einen Verlust von rund 95 Milliarden Franken eingefahren habe. Das entspreche praktisch der gesamten Ausschüttungsreserve.
Die Gewinnausschüttungspraxis SNB sei somit nicht «übervorsichtig», wie oft kritisiert werde. Sie beträgt maximal 6 Milliarden Franken pro Jahr an Bund und Kantone. Eine grössere Bilanz könne auch grosse Schwankungen der Jahresergebnisse nach sich ziehen. Das zeige klar, warum der Staat seine Finanzierung nicht von SNB-Gewinnen abhängig machen dürfe, betonte Jordan.
Sammelfrist für Volksinitiative läuft
Laut einer im Frühling 2022 lancierten Volksinitiative sollen Notenbankgelder die Altersvorsorge subventionieren. Die Sammelfrist für die Volksinitiative «Nationalbankgewinne für eine starke AHV» dauert bis November 2023. Hinter dem Begehren steht der Schweizerische Gewerkschaftsbund.
Die SNB solle zumindest einen Teil der Gewinne in die AHV einzahlen. Dafür sprechen sich gemäss einer von Raiffeisen in Auftrag gegebenen Umfrage 57 Prozent der Schweizer Bevölkerung aus. Das «Raiffeisen-Vorsorgebarometer» wurde Mitte Juni erhoben – ihren hohen Halbjahresverlust gab die SNB erst einige Wochen später bekannt.