So gefährlich sind In-Ear-Kopfhörer wirklich
Ein Experiment einer deutschen Journalistin lässt Ekel aufkommen. Sie warnt vor den Gefahren von In-Ear-Kopfhörern. In der Schweiz sind HNO-Profis entspannter.
Das Wichtigste in Kürze
- In-Ear-Kopfhörer versprechen besseren Klang und keine Hintergrundgeräusche.
- Wer sie trägt, sollte die Musik nicht zu laut stellen.
- Sonst drohen Hörschäden.
Sie blenden Hintergrundgeräusche aus und bringen den Klang der Musik direkt ins Gehör: Kabellose In-Ear-Kopfhörer wie Airpods sind aus dem Alltag kaum wegzudenken. Doch: Sind sie auch sicher?
Das Experiment der deutschen Journalistin Leah Nlemibe lässt einen ekelerregt und ängstlich zurück. Für das Format «Puls Reportage» des Bayerischen Rundfunks trägt die 23-Jährige vier Wochen lang mindestens zehn Stunden täglich In-Ear-Kopfhörer.
Ein Hals-Nasen-Ohren-Arzt (HNO) warnt sie vor dem Experiment vor diversen Risiken: Schlechteres Hören durch eine Ohrenschmalz-Verstopfung, Bakterien und Pilze wegen der warmen und feuchten Umgebung und Hörschaden aufgrund der Geräuschbelastung.
Und siehe da: Bereits nach wenigen Tagen hört sich die Umgebung für Nlemibe dumpf an. Am Ende des Experiments zeigt sich dann: Die Ohren der Reporterin sind wegen des vielen Ohrenschmalzes verstopft. Zudem erleidet sie einen kleinen Druckschaden!
Schweizer HNO-Profis relativieren Gefahr von In-Ear-Kopfhörern
Nach dem Schauen der Ekel-Reportage stellt sich die Frage: Sind In-Ear-Kopfhörer wirklich so gefährlich?
Schweizer HNO-Profis relativieren die Gefahren bei Nau.ch. Mit einer Ausnahme.
«Es sind keine Gefahren für das Gehör belegt und es scheint tatsächlich keine zu geben.» Das sagt Martin Kompis, leitender Arzt für Audiologie am Inselspital Bern. Er habe in 27 Jahren Arbeit noch keinen einzelnen Fall im Zusammenhang mit In-Ear-Kopfhörern erlebt.
Alexander Huber, Direktor der HNO-Praxis am Unispital Zürich, sieht in den Stöpseln sogar Vorteile: «In-Ear-Kopfhörer haben den Vorteil, dass sie Hintergrundgeräusche abschirmen, wodurch man die Musik leiser hören kann, was insgesamt vorteilhaft ist.»
Nicht zu lange und zu laut Musik hören
Laut Huber sind nämlich nicht die Kopfhörer das Problem, sondern die Lautstärke. Er erklärt: «Wenn Musik zu laut oder zu lange gehört wird, sterben Haarzellen ab, die dann nicht mehr nachwachsen können.»
Die Folge: Schwerhörigkeit.
«Wenn die Kopfhörer nicht übermässig lange getragen werden, sehe ich kein Problem.» Auch Personen, die zum Einschlafen Podcasts oder Musik hören, sind wegen der geringen Lautstärke nicht besonders gefährdet.
Andere Situationen bärgen da grössere Problem. «Es wäre unklug, neben einer lauten Box in einem Club einzuschlafen.»
Kritischer sieht die In-Ear-Kopfhörer Annatina Bass. Sie ist HNO-Oberärztin am Unispital Basel und sagt zu Nau.ch: «Ohrhörer können Ohrenschmalz tiefer in die Ohren drücken, was zu Verstopfungen führt, die das Gehör beeinträchtigen.»
Viele würden dann die Lautstärke noch weiter erhöhen, was wiederum Hörschäden fördern könne.
Sie beobachtet zudem, dass viele Nutzende Warnungen zur Überschreitung des schädlichen Dezibel-Werts ignorierten.
Kopfhörer sollten regelmässig gereinigt werden
Auch bezüglich Schäden ist Bass kritischer eingestellt als ihre HNO-Kollegen. «In-Ears selbst verursachen normalerweise nicht direkt Ohrenentzündungen oder Tinnitus. Allerdings kann unsachgemässer oder übermässiger Gebrauch zu diesen Problemen beitragen.»
Die Verwendung von In-Ears würden die Infektionen zwar nicht verursachen. «Bei längerem Gebrauch von In-Ears kann jedoch eine warme und feuchte Umgebung im Gehörgang entstehen. Dies ist die perfekte Umgebung für bakterielle Infektionen.»
Bass rät daher, auf eine angemessene Hygiene, Reinigung und Hörpausen zu achten.