Darum wird Recep Tayyip Erdogan wie ein Popstar gefeiert
Das Wichtigste in Kürze
- Am Dienstag und Mittwoch nimmt der türkische Präsident Erdogan am Flüchtlingsforum teil.
- Seine Ankunft in Genf polarisiert – während Fans jubeln, kündigen seine Gegner Demos an.
- Der Türkei-Historiker Christoph Ramm erklärt die unterschiedliche Wahrnehmung.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan reist zum ersten Flüchtlingsforum in Genf an. Doch vor dem Gipfel, der heute Dienstag beginnt, stand gestern bei Erdogan ein Propaganda-Auftritt auf dem Programm. Bereits am Montagmorgen versammelten sich die Fans des Präsidenten vor dem Hotel «Four Seasons».
Gespannt wurde die Ankunft des 65-Jährigen erwartet. Und dann war er da. Umgeben von dutzenden Sicherheitskräften schüttelte Erdogan zahlreiche Hände und hielt für Selfies hin: Die Euphorie war gewaltig.
Doch nicht alle sind vom Auftritt des türkischen Machthabers erfreut. So ruft das Demokratische Gesellschaftszentrums der Kurden (Dem-Kurd) am Dienstag zu einer Demo in Genf auf. Diese wird von mehreren Gruppierungen unterstützt, wie dem Rojava-Komitee in Zürich.
«Für Erdogan ist Polarisierung ein zentrales Mittel seiner Politik», erklärt Türkei-Experte Christoph Ramm vom Institut für Islamwissenschaften der Universität Bern. Wie andere rechtsautoritäre Politiker versuche er mit nationalistischer Rhetorik gegen «fremde Mächte» zu mobilisieren. Gleichzeitig brandmarkt er politische Gegner als «Verräter» der eigenen Anhängerschaft.
Beliebt bei seinen Anhängern
Gerade in letzter Zeit mehren sich die Proteste gegen Erdogan – auch in der Schweiz. Sein Einmarsch in die kurdischen Gebiete in Nordsyrien sorgte international für Empörung. Doch auch zahlreiche Rojava-Demonstrationen konnten am militärischen Vormarsch nichts ändern. Auch die morgige Demo gegen den «Kriegsverbrecher» Erdogan werden ihm nichts anhaben.
Der Beliebtheit unter seinen Fans tut dies jedoch keinen Abbruch. Warum ist die Wahrnehmung von Präsident Recep Tayyip Erdogan so unterschiedlich?
«Seine Unterstützer sehen in ihm einen Politiker, der dem Westen die Stirn bietet», so Ramm. «Zugleich hat die Wirtschaftspolitik von Erdogans Partei AKP gerade in den ersten Jahren ihrer Regierung vielen einfachen Leuten den Aufstieg in die Mittelschicht eröffnet, dafür sind diese Erdogan dankbar.»
Doch innenpolitisch ist der Präsident, der faktisch seit 2002 an der Macht ist, unter Druck. Dies sei auch auf die Wirtschaftskrise zurückzuführen, so der Türkei-Experte. Nun wenden sich frühere Weggenossen von ihm ab.
Der «grossherzige» Recep Tayyip Erdogan
Auch davon bekommen die türkischen Fans nicht viel mit. Sie nehmen gerade seine viel kritisiere Flüchtlingspolitik als etwas Positives wahr. «Er war so grossherzig, hat so vielen Flüchtlingen geholfen», schwärmt die Doppelbürgerin Havva Aktas im Nau-Interview.
Tatsächlich hat die Türkei nach dem syrischen Bürgerkrieg die meisten Flüchtlinge aufgenommen, wie auch Christoph Ramm bestätigt. «Allerdings fehlt es weitgehend an einer systematischen Eingliederungspolitik für die Geflüchteten aus Syrien.»
Inzwischen habe sich unter der lokalen Bevölkerung Unmut entwickelt, stellt Ramm fest. «Es ist zu Protesten, Diskriminierungen bis hin zu gewalttätigen Übergriffen gegen Menschen aus Syrien gekommen.»
Die türkische Regierung habe deshalb ihren Kurs gewechselt. Recep Tayyip Erdogan will die Flüchtlinge zurückschicken und auch in den eroberten Gebieten in Nordsyrien ansiedeln. Zuvor drohte er, die Syrer in die EU-Länder zu schicken, sollten seine Forderungen nicht erfüllt werden. Es dürfte also auch innerhalb des Flüchtlingsforums hoch hergehen.