«Soziale Immunabwehr»: Borkenkäfer spielen Krankenschwester
Erreger können bei Insekten soziales Verhalten befördern: Bienen und Ameisen etwa spielen gleichsam Krankenschwester bei infizierten Mitbewohnern. Berner Forscher haben nun nachgewiesen, dass auch Insekten in locker organisierten Gruppen einander desinfizieren.
Das Wichtigste in Kürze
- Für staatenbildende Insekten, die auf engstem Raum zusammenleben, sind Krankheitserreger ein enormes Risiko.
Um die Ansteckungsgefahr zu verringern, haben Tiere wie Ameisen oder Bienen deshalb spezielle soziale Verhaltensweisen entwickelt: Sie putzen einander. Die Wissenschaft spricht von «sozialer Immunabwehr».
Berner Forscher haben nun nachgewiesen, dass die gegenseitige «Desinfizierung» auch bei Ambrosiakäfern vorkommt, obwohl diese nicht in so strenger Verpflichtung zusammenleben. Sie betreiben zwar kooperative Brutpflege, das heisst, sie helfen ihren Müttern bei der Betreuung der Geschwister, aber sie dürfen auch aus den Nestgemeinschaften ausziehen, wenn sie wollen, sagt Jon Nuotclà, Doktorand am Institut für Ökologie und Evolution der Universität Bern und Erstautor der Studie.
«In der Evolution von Sozialverhalten nehmen Ambrosiakäfer eine Zwischenstufe zwischen den einzeln und den sozial lebenden Insekten ein», verdeutlicht Peter Biedermann, der am Biozentrum der JMU forscht und die Experimente co-betreut hat. «Doch bei der Vorbeugung von Krankheiten verhalten sie sich schon wie soziale Insekten.»
Die Forscher unter der Leitung von Michael Taborsky vom Institut für Ökologie und Evolution der Universität Bern besprühten die Nester der Ambrosiakäfer mit Sporen des krankheitserregenden Pilzes Aspergillus. Darauf fingen die Arbeiterinnen verstärkt an, Artgenossinnen zu putzen. Ausserdem fühlten sie sich offenbar durch den Krankheitsnotstand verpflichtet, der Gemeinschaft weiterhin zu dienen und nicht das Weite zu suchen.
Als nächstes wollen die Forscher herausfinden, ob sich im Speichel der Ambrosiakäfer, die zu den Borkenkäfern gehören, antibiotische Wirkstoffe befinden. Ihre bisherigen Erkenntnisse haben Nuotclà und Taborsky zusammen mit Peter Biedermann von der Würzburger Julius-Maximilians-Universität (JMU) im britischen Fachjournal «Proceedings of the Royal Society B» veröffentlicht.
Fachartikellink: http://dx.doi.org/10.1098/rspb.2019.2332