Stadt Bern: Kritik wegen Wohnungen für Auto-freie Mieter
Eine junge Familie bekommt von der Stadt Bern wegen ihres Autos keine Wohnung. Bürgerliche Politiker sehen darin Diskriminierung und linke Intoleranz.
Das Wichtigste in Kürze
- Im Stadtberner Wylerfeldquartier wird das Konzept «autofreies Wohnen» eingesetzt.
- Eine junge Familie bekam deswegen keine Wohnung.
- Nach dem Nau.ch-Bericht laufen Berner Sturm gegen die Auflage.
Wer im Neubau beim Wylerfeldquartier in der Stadt Bern eine Wohnung ergattern will, darf kein Auto haben. Die städtisch Vermieterin setzt das Konzept rigoros durch.
Das musste auch eine junge Familie erfahren, die sich mit Auto für die familienfreundliche Wohnung bewarb. Auch wenn der Mann von S.H.* aus beruflichen Gründen auf das Auto angewiesen war, kam eine direkte Absage. Ohne, dass man auf den Einzelfall einging.
Der Fall, den Nau.ch am Samstag publik machte, warf schon kurz nach der Veröffentlichung hohe Wellen. Die Jungfreisinnige Stadt Bern verschickte umgehend eine Medienmitteilung.
FDP-Wasserfallen: «Wehret den Anfängen»
Dies sei keine Stadt für alle, sondern nur für die «Richtigen», wettert der Jungfreisinnige Loris Urwyler. «Die SP will keine Handwerkerinnen mehr in den städtischen Wohnungen haben, sondern nur noch Menschen, die gemütlich im Home-Office arbeiten.»
Ins gleiche Horn bläst auch FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen. «Dass die Stadt Bern bei der Vermietung ihrer Wohnung ein Lebensmodell vorschreiben will, ist skandalös», so der Stadtberner zu Nau.ch. Es sei an Intoleranz nicht zu überbieten.
Wasserfallen fragt sich, was als Nächstes komme: «Muss man vegan leben, um eine Wohnung zu erhalten?» Und fordert: «Wehret den Anfängen!»
SVP will gegen die Praxis vorgehen
Noch weiter geht derweil die SVP. Der Stadt- und Grossrat Alexander Feuz sieht im autofreien Wohnen die Diskriminierung von Auto-Besitzern. «Rot-Grün-Mitte will offensichtlich nur noch ihm genehme rotgrüne Wähler einziehen lassen!»
Feuz will auch politisch dagegen vorgehen und zwei Vorstösse einreichen. Unter anderem will er wissen, ob hier analog zur Schwangerschaft beim Stellenantritt das Auto nicht verheimlicht werden könne. «Eventuell verstösst das Vorgehen der Stadt aber auch gegen übergeordnetes Recht oder kantonale Planungsziele», so Grossrat Feuz gegenüber Nau.ch.
Junge Familie zieht wohl aus Bern weg
Kein Problem hat in diesem Fall der Mieterverband. «Mietrechtlich ist die Angelegenheit sehr klar: Der Vermieter, die Vermieterin hat ein Mieterwahlrecht.» Das erklärt Generalsekretärin Natalie Imboden, die zugleich auch für die Grünen im bernischen Grossen Rat sitzt. Bei städtischen Wohnungen könne es verschiedene Vermieterkriterien geben.
Und wie geht der Fall für die junge Familie weiter? «Wir suchen weiter nach einer bezahlbaren Wohnung in der Stadt Bern», so Nau.ch-Leserin S. H.
Auch der Verkauf des Autos habe kurz zur Diskussion gestanden, musste dann aber wieder verworfen werden. «Mittelfristig werden wir wohl aus der Stadt wegziehen.»