Standschäden wegen Blockade beim institutionellen Abkommen
Das Wichtigste in Kürze
- Die Schweiz hat das institutionelle Abkommen noch nicht unterzeichnet.
- Die bilateralen Abkommen mit der EU werden folglich nicht aktualisiert.
- Vor allem die Medizinprodukte-Branche ist leidtragend.
Bevor der Bundesrat das institutionelle Abkommen (Insta) unterschrieben hat, will die EU weder neue bilaterale Abkommen mit der Schweiz abschliessen noch die bestehenden aktualisieren.
Vor allem Medizinprodukte-Branche betroffen
Der vom fehlenden Stromabkommen direkt betroffene Strommarkt funktioniert vorläufig. Für die Börse konnte das Schlimmste abgewendet werden. Die Medizinprodukte-Branche hingegen rechnet schon heute mit Milliarden-Schäden.
Grund ist die neue EU-Regulierung zur Stärkung der Patientensicherheit, die am 25. Mai 2020 umgesetzt wird. Zwar hat das Parlament die Schweizer Gesetzgebung im Eilverfahren angepasst. Diese Gesetzesänderung kommt aber nur dann voll zur Geltung, wenn die EU der Aktualisierung des Abkommens über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen (MRA) zustimmt.
Drastische Folgen einer Nicht-Aktualisierung
Heute gewährt das MRA Schweizer Herstellern von Medizinprodukten gleichberechtigten Zugang zum EU-Markt. Ohne Aktualisierung hätte die Schweiz den Status eines Drittstaates, erklärte Peter Studer vom Branchenverband Swiss Medtech auf Anfrage von Keystone-SDA.
Schweizer Hersteller könnten Medizinprodukte wie Verbandsmaterial, Diagnosegeräte oder Implantate nur noch über einen Bevollmächtigten in die EU exportieren. Aufgrund einer Umfrage bei Unternehmen schätzt Swiss Medtech die direkten Kosten auf über eine Milliarde Franken.
Wesentlich höher wird die Rechnung für die mittelfristigen Folgen des Systemwechsels ausfallen. Die Unternehmen müssten sich nun fragen, ob es überhaupt noch sinnvoll sei, aus der Schweiz heraus zu produzieren und Handel zu treiben, sagte Studer. Für den Wirtschaftsstandort sind das schlechte Nachrichten, gilt die Medtech-Branche doch als Innovationsmotor.
Die Schweizer Aufsichtsbehörden drohen vom Informationsfluss aus Brüssel abgeschnitten zu werden. Schlimmstenfalls müssten sich die Unternehmen für die Zulassung auf europäische Prüfstellen abstützen. Die Schweizer Behörden hätten dann keinen Einfluss mehr auf den Prozess der Inverkehrbringung von Produkten, sagte Studer.
Und schliesslich drohen Versorgungsengpässe, die Patientinnen und Patienten auf beiden Seiten der Grenze treffen würden. Grund ist einerseits der harzige Zertifizierungsprozess unter dem neuen Regime. Andererseits könnte es in der EU bald an Medizinprodukten aus der Schweiz fehlen, was sich unter anderem stark im Bereich der Implantate auswirken dürfte.