Tourismus und Klimaschutz stehen oft im Konflikt. Wie geht man diese Herausforderung im Kanton Graubünden an? Nau.ch hat nachgefragt.
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Trotz Klimabedenken geniessen zahlreiche Menschen noch immer ihre Skiferien. (Symbolbild) - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Der November ist da – für viele beginnt somit der Countdown zu den Skiferien.
  • Aufgrund der Klimakrise steht die Tourismus-Branche vor grossen Herausforderungen.
  • Nau.ch hat mit Martin Vincenz, CEO von Graubünden Ferien, darüber gesprochen.
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Der Winter steht vor der Tür – und mit ihm die Skiferiensaison. Für zahlreiche Schweizerinnen und Schweizer ist der Urlaub auf der Piste der Pflichttermin schlechthin.

Gleichzeitig haben aber auch immer mehr Menschen Bedenken mit Blick auf Klimaverträglichkeit und Nachhaltigkeit. Hier steht eine ganze Branche vor grossen Herausforderungen.

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Die Skiferien sind für viele Menschen im Winter ein Pflichttermin. - Graubünden Ferien / Mattias Nutt

Wie sieht man diese Situation bei Graubünden Ferien? Der Verein ist verantwortlich für das Tourismusmarketing im Alpenkanton. Nau.ch hat bei CEO Martin Vincenz nachgefragt und mit ihm in die Zukunft vorausgeblickt – kurz- sowie langfristig.

Nau.ch: Herr Vincenz, der Tourismus in Graubünden war vergangenen Winter mit 3 Millionen Logiernächten sehr erfolgreich. Erwarten Sie, dass dieser Trend sich auch diesen Winter fortsetzt?

Martin Vincenz: Ja, wir erwarten, dass auch der Winter 2024/25 ein Erfolg wird. Für eine optimale Saison benötigt es jedoch frühzeitig Schnee – auch bis ins Flachland für die nötige Winterstimmung – sowie gutes Wetter über die Festtage über Weihnachten und Neujahr. Aktuell geniessen unsere Gäste noch das prachtvolle Herbstwetter in Graubünden mit viel Sonnenschein und blauem Himmel.

Vincenz: «Massentourismus ist in Graubünden kein Problem»

Nau.ch: Nachhaltigkeit wird ein immer grösseres Thema. Für viele steht dies im Konflikt mit Massentourismus. Wie sieht Graubünden Ferien diese Dynamik?

Vincenz: Massentourismus ist in Graubünden kein Problem. «Overtourism» im Sinne einer zu hohen touristischen Nachfrage, die aus Kapazitätsgründen gelenkt oder limitiert werden muss, findet in Graubünden nur punktuell statt.

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Martin Vincenz ist der CEO von Graubünden Ferien. - zVg

Dies konzentriert sich meist auf wenige Orte und dies zu Spitzenzeiten während weniger Wochen. Es gibt immer Möglichkeiten, auch gut besuchte Ausflugsziele abseits der Stosszeiten ohne Besucherandrang zu geniessen. Und Alternativen gibt es im grössten Kanton der Schweiz viele und nach jedem persönlichen Interesse.

Mit seinen 150 Tälern, den rund 700 Hotels und seiner Top-Infrastruktur kann in Graubünden die Gästenachfrage bei Weitem gedeckt werden. Auch fördern wir bei Graubünden Ferien die Nachfrage in den Nebensaisons und setzen den Fokus auf weniger bekannte Ausflugsziele.

Graubünden: 6,5 Millionen Franken für die Nachfrageförderung

Nau.ch: Wie kann man das Thema Nachhaltigkeit und Massentourismus erfolgreich balancieren – gibt es eine langfristige Strategie?

Vincenz: Graubünden Ferien fördert und unterstützt eine nachhaltigere Entwicklung des Tourismus. Wir haben dazu im letzten Jahr eigens eine neue Projektstelle Nachhaltigkeit geschaffen. Dies hat nichts mit der Bewältigung von Massentourismus zu tun, sondern damit, dass wir unseren Ressourcen Rechnung tragen wollen auch für einen zukünftigen Tourismus.

Nachhaltiger Tourismus steht unter anderem für einen ökologisch wertvollen, natürlichen Lebensraum für Mensch, Flora und Fauna. Wichtig ist dabei eine hohe Landschaftsqualität, aber auch eine geringe Umweltbelastung.

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Ftan im Unterengadin. - Graubünden Ferien / Alexander Starcevic

Nau.ch: Wird explizit Geld investiert in das Thema Nachhaltigkeit?

Vincenz: Ja, Nachhaltigkeit ist Teil des Leistungsauftrages des Kantons an Graubünden Ferien. Pro Jahr stehen uns aus dem Grundauftrag für das Gästemarketing rund 6,5 Millionen Franken zur Verfügung. Ein Teil davon wird neu auch genutzt, um das Marketing in der Westschweiz voranzutreiben.

Nau.ch: Wie sieht man allgemein die Zukunft der Skiferien? Auch mit Blick darauf, dass Menschen wohl in immer höher gelegene Skigebiete fahren müssen, um genug Schnee vorzufinden.

Vincenz: Der Ferienkanton ist in der glücklicheren Lage, dass die meisten der Skigebiete über 2000 Meter über Meer liegen. Dies verschafft dem Wintertourismus etwas Zeit, auf die klimatischen Veränderungen zu reagieren.

Gehst du im Winter gerne Skifahren?

Zudem wird knapp die Hälfte der Skipisten in Graubünden technisch beschneit. Das hierfür benötigte Wasser kommt aus Speicherseen in der Region. Unser Projekt «Klimafitte Destinationen» unterstützt Ferienregionen in Graubünden dabei, die Herausforderungen und eigene Betroffenheit des Klimawandels zu verstehen und sich mit Massnahmen für die neuen Realitäten der kommenden Jahre bestmöglich zu wappnen.

Die drei Destinationen Engadin Samnaun Val Müstair, Lenzerheide und Vorderes Prättigau bilden im Projekt zusammen eine nationale Modellregion.

«Die Auswirkungen der Klimakrise sind vielseitig»

Nau.ch: Welche Sorgen haben in diesem Zusammenhang etwa Hoteliers oder Betreiber von Skigebieten – und welche Lösungen gibt es?

Vincenz: Die Auswirkungen der Klimakrise sind vielseitig: höhere Temperaturen, Hitzewellen, Trockenheit, Gletscherschwund, auftauender Permafrost, längere Vegetationsperioden, mehr Starkregen, mehr Winterniederschlag, steigende Nullgradgrenze und weniger Schnee- und Frosttage.

Wenngleich diese Veränderungen Chancen mit sich bringen, beispielsweise eine Renaissance der Sommerfrische in den Bergen, dominieren im alpinen Kontext sicherlich die Risiken. Nicht nur im Tourismus, sondern auch in angrenzenden oder überschneidenden Bereichen wie Wald, Naturschutz, Landwirtschaft oder Gesundheit. Unser Projekt «Klimafitte Destinationen» verfolgt einen proaktiven Lösungsansatz.

Wir gehen wie folgt vor: Zuerst werden die wissenschaftlichen Klimagrundlagen lokal interpretiert und im Rahmen von Workshops Betroffenheit, Chancen und Risiken der Destinationen evaluiert. Daraus abgeleitet werden konkrete Massnahmen.

Die verbleibende Zeit bis zum Projektende 2026 steht zur Verfügung, die Umsetzung zu begleiten und sicherzustellen, dass die Destinationen ins Handeln kommen. Parallel dazu unterstützt das Projekt die lokalen Akteure in der Wissensvermittlung und bei der Sensibilisierung.

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