Steckt die Schweiz bereits in der zweiten Welle des Coronavirus?
In den letzten Tagen haben die Neuinfektionen des Coronavirus in der Schweiz wieder zugenommen. Befinden wir uns bereits in der zweiten Welle?
Das Wichtigste in Kürze
- In der Schweiz sind die Anzahl Corona-Neuinfizierungen wieder auf über 100 angestiegen.
- Gemäss dem Epidemiologen Andreas Cerny sind wir bereits in der zweiten Welle angekommen.
- Andere Fachexperten der Corona-Taskforce widersprechen.
62 am Dienstag, 137 gestern, 116 heute. Die Corona-Zahlen steigen in den letzten Tagen wieder an. Der Bundesrat beschloss deshalb die Maskenpflicht in allen öffentlichen Verkehrsmitteln ab kommendem Montag.
Kommt die Massnahme zu spät? Laut dem Epidemiologen Andreas Cerny werden wir die Auswirkungen der Zwangsmasken nämlich frühestens in vier Wochen zu spüren bekommen.
Zu diesem Zeitpunkt könnten die Anzahl Neuinfektionen noch höher sein.
Coronavirus: Fachexperten streiten sich um zweite Welle
Trotzdem findet Cerny die Maskenverordnung eine sinnvolle Massnahme, sagt er zu Nau.ch. Auch andere Mitglieder der Coronavirus Task-Force schliessen sich ihm an.
Die Experten sind sich einig: Der Bundesrat habe zu lange gewartet. «Wir haben bereits im April in bestimmten Situationen eine Maskenpflicht empfohlen», sagt Epidemiologe Marcel Tanner.
Doch nicht überall sind sich die Fachmänner einig. So meint beispielsweise Taskforce-Chef Matthias Egger von der Universität Bern, dass die Frage nach einer zweiten Welle verfrüht komme. «Wir werden derzeit nicht mit Neuinfektionen überrollt», so Egger.
Auch Tanner ist der Meinung, dass die Bezeichnung einer zweiten Welle nicht zutreffend ist. «Obwohl die Zahlen steigend sind, befinden wir uns noch nicht in einer zweiten Welle.» Man beobachte zurzeit vermehrt Übertragungsherde, die aufflammen. Aber: Im Moment komme es nicht zu flächendeckenden Ansteckungen, wie dies im März der Fall gewesen sei.
Cerny sieht es anders: «Die Ansteckungen sind seit Tagen steigend, weshalb man von einer zweiten Welle sprechen kann.» Die jetzigen Fallzahlen seien sowieso nur die Spitze des Eisbergs. «Es gibt eine grosse Dunkelziffer, die wir erst in den kommenden Wochen zu sehen bekommen.»
Entscheidende Zahlen in den nächsten Tagen
Fakt ist, dass die Anzahl Neuinfektionen mit dem Coronavirus seit dem Ende des Lockdowns steigend ist. Und hier sind sich die Experten einig: «Das ist besorgniserregend!»
Laut den Task-Force-Mitgliedern liegt es nun an der Bevölkerung, aufmerksam zu bleiben und die Abstands- und Hygieneregeln nicht zu vernachlässigen. Zudem hätten auch die Gesundheitsbehörden die Verantwortung, Übertragungsherde sofort zu erkennen, damit rasch und gezielt eingegriffen werden kann. «Wenn wir nichts tun, dann kommt es definitiv zu flächendeckenden Ansteckungen, also einer zweiten Welle», ist sich Tanner sicher.
#CoronaInfoCH #Coronavirus #COVID19
— BAG – OFSP – UFSP (@BAG_OFSP_UFSP) July 2, 2020
02.07 Aktueller Stand sind 31'967 laborbestätigte Fälle, 116 mehr als am Vortag.https://t.co/RTWF8jbM2p pic.twitter.com/XutTfo1TXZ
Denn: Sobald sich die Neuansteckungen auf mehrere hundert pro Tag erhöhen, wird es laut Egger schnell unübersichtlich. Umso wichtiger sei das Contact Tracing bei Neuinfizierten. «Um die zweite Welle zu verhindern, müssen wir die Ansteckungen zurückverfolgen können.»
Ob ein erneuter Anstieg verhindert werden kann, wird sich in den kommenden Tagen erst noch zeigen. Zumindest für Cerny ist klar: «Die Fallzahlen des Coronavirus werden weiter steigen.»