Studie enthüllt: Jeder zweite Lehrer berichtet von Gewalt an Schulen
Eine Umfrage unter mehr als 1000 Schulleitern und Lehrpersonen aus dem Kanton Zürich ergibt, dass Gewalt an Schulen weit verbreitet ist.
Das Wichtigste in Kürze
- Eine neue Studie stellt fest, dass Gewalt an Schulen regelmässig vorkommt.
- Jeder Zweite der befragten Schulleiter und Lehrpersonen meldet physische Übergriffe.
- Derzeit fehle es an geeigneten Massnahmen, um dem Problem zu begegnen.
Unter Schulkindern kommt es regelmässig zu körperlicher Gewalt. Das fand eine Umfrage der Pädagogischen Hochschule Zürich und der Fachhochschule Nordwestschweiz heraus. Was die Forscher auch feststellten: Psychische Gewalt in Form von Demütigungen oder Bedrohungen gibt es sogar noch häufiger.
Aktuell fehle es aber an passenden Massnahmen, um dieser Problematik entgegenzuwirken. Das äusserten die Forscher gegenüber der «Sonntagszeitung».
Die Befragung fand unter 1256 Lehrpersonen, Schulleitern, Heilpädagogen und Schulpsychologen statt. Die Übergriffe ereignen sich demnach häufig auf dem Pausenplatz, dem Schulweg oder während der unterrichtsfreien Zeit auf dem Schulareal.
Jeder Zweite berichtet von physischer Gewalt an Schulen
50 Prozent der Befragten gaben an, dass es an der Volksschule «gelegentlich» bis «häufig» zu körperlichen Angriffen unter Schulkindern komme. 66 Prozent berichteten von «gelegentlicher» bis «häufiger» Anwendung von psychischer Gewalt an der Schule: «Dazu gehören Beleidigungen, bewusstes Ausgrenzen oder Drohungen – bis hin zur Androhung physischer Gewalt», erklärt Studienleiter Reto Luder.
«Vielerorts fehlt es an niederschwelligen und flexiblen Beratungs- und Unterstützungsangeboten», schreibt Luder in der Studie. Schulen versuchten zwar, das Problem mit Schulsozialarbeitern oder Schulpsychologen zu lösen, doch der Zugang zu diesen Angeboten sei oft erschwert: Teilweise würden dieselben erst beigezogen, wenn die Situation bereits eskaliert sei.
Hohe administrative und zeitliche Hürden führten überdies zu langen Wartezeiten und viel Bürokratie, was die Situation zusätzlich erschwere.
Eine «neue Qualität von Gewalt» an Schulen
Trotzdem möchte der Studienleiter nicht von einer Verrohung der Umgangsformen sprechen: Raufereien auf dem Pausenplatz habe es schon immer gegeben, erklärt Luder. «Inzwischen ist man sensibilisierter für Gewalt. Früher galt es nicht unbedingt als Alarmzeichen, wenn sich jemand in einer Rangelei eine blutige Nase holte. Heute wird das nicht mehr toleriert.»
Gleichzeitig habe sich nicht nur die Wahrnehmung geändert, erklärt Henri Guttmann gegenüber der Zeitung: «Es gibt auch eine neue Qualität von Gewalt. Unter Primarschülern gab es einst eine Art Ehrenkodex bei Zweikämpfen: Nicht an den Haaren reissen, nicht in die Genitalien schlagen. Das gilt heute nicht mehr.»
Viele Jugendliche sprechen nicht über Gewalt an Schulen
Hinzu komme, dass verzweifelte Eltern in vielen Fällen keinerlei Kenntnis darüber haben, was ihre Kinder in der Schule erleben: «Oft getrauen sich die Jugendlichen nicht, ihren Eltern zu sagen, dass sie in der Schule schikaniert werden. Sie schämen sich und haben das Gefühl, sie seien selber Schuld.»
Ferner hätten viele Jugendliche gerade während der Pubertät schlicht keine Lust, mit ihren Eltern über derartige Themen zu sprechen. Trotzdem betont der Psychologe, dass es häufig Zeitfenster gebe, in denen die Jugendlichen dennoch offen seien: «Hören Sie Ihrem Kind dann zu, auch wenn es zeitlich ziemlich ungelegen ist – zum Beispiel um zwei Uhr morgens.»
Schliesslich weist Guttmann auch auf Verbesserungspotenzial auf Seite der Schule hin: Viele Schulleitungen blieben beispielsweise bei Streitereien ausserhalb des Schulareals zu lange passiv. In diesen Fällen stellten sie sich oft auf den Standpunkt, dass sie dafür nicht zuständig seien. «Hier wäre der Grundsatz besser: hinschauen, statt wegsehen!»