Swiss Medtech fürchtet Versorgungsengpass und stellt Forderungen
Swiss Medtech hat wegen des gescheiterten Rahmenabkommens mit der EU die Befürchtung, es könnte zu einem Versorgungsengpass kommen.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Medizintechnik-Branche steht seit Monaten unter immensem Druck.
- Grund dafür ist auch das gescheiterte Rahmenabkommen mit der EU.
An ihrem Kongress am Dienstag in Bern hat die Medizintechnik-Branche konkrete Forderungen an die Politik gestellt. Die Branche sieht wegen des Streits zwischen der Schweiz und der EU über ein Rahmenabkommen die Patientensicherheit gefährdet.
«Unsere Wirtschaftsbranche steht seit Monaten unter immensem Druck.» Dies sagte Beat Vonlanthen, Präsident des Schweizer Medizintechnik-Verbandes Swiss Medtech, laut Redetext an der Eröffnung des Kongresses.
Bevollmächtigter in der EU
Wegen des Abbruchs der Verhandlungen zum Rahmenabkommen mit der EU hat die Medtech-Branche ihren Zugang zum EU-Markt verloren. Daher müssen neu alle Schweizer Medtech-Firmen einen Bevollmächtigten in der EU benennen. Beim Export habe sich die Branche arrangiert, heisst es in der Mitteilung. Alarmierend ist laut Swiss Medtech aber die Situation beim Import.
Denn um gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, revidierte der Bundesrat die Medizinprodukteverordnung. Er verlangt nun von ausländischen Unternehmen, dass sie ihre Produkte mit einem Schweizer Bevollmächtigten und dem Importeur anschreiben.
Aufgrund dieser Zusatzetikettierung fürchtet die Branche nun um die Patientensicherheit in der Schweiz. Für ausländische Hersteller seien damit zu hohe Hürden aufgestellt worden. «Es bahnt sich ein hausgemachtes Versorgungsproblem an», sagte Vonlanthen.
Bereits spürbare Versorgungslücken im nächsten Jahr
Mittel- bis langfristig rechnet Swiss Medtech damit, dass jedes achte Produkt im Schweizer Gesundheitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehen wird. Das sind rund 36’000 Produkte. Laut Daniel Delfosse, Leiter für Regulierungsfragen von Swiss Medtech, wird es ab der zweiten Hälfte nächsten Jahres «spürbare Versorgungslücken geben».
Was dieser Zusatzaufwand bedeutet, rechnet Swiss Medtech am Beispiel von Inkontinenzwindeln vor. Die rund 500'000 Personen mit Blasenschwäche in der Schweiz brauchen pro Tag im Durchschnitt 2,5 Inkontinenzprodukte. Dies ergebe einen Bedarf von 8,75 Millionen Windeln pro Woche.
Dies wiederum bedeute 116'000 Zusatzetiketten pro Tag. Bei neun Sekunden Arbeitsaufwand für jedes Produkt müssen für die Etikettierung allein 36 zusätzliche Mitarbeiter eingestellt werden.
Ein anderes Beispiel sind medizinische Gase wie etwa Sauerstoff, oder Lachgas, die für die Atemunterstützung oder als Narkosemittel verwendet werden. Sie können nur mit entsprechendem Zubehör wie Armaturen, Ventile und Schläuche eingesetzt werden.
Medtech fordert: Bundesrat soll sich um Lösung bemühen
Die Schweizer Firma, die die Gase liefert, vertreibt daher auch Zubehöre, die von ausländischen Firmen hergestellt wurden. Die neuen Regeln lässt nun viele von ihnen die Frage, ob sich Lieferungen in die Schweiz für sie noch lohnen. «Fällt nur schon einer der Lieferanten weg, kann die flächendeckende Versorgung nicht mehr sichergestellt werden», heisst es weiter.
Swiss Medtech stellt daher zwei Forderungen an die Politik: Die Schweiz müsse ihre Medizinprodukteverordnung noch vor Jahresende revidieren. Konkret soll auf die Zusatzetikettierung von bereits zertifizierten Produkten verzichtet werden. Bei einer Neuzertifizierung sollten die Behörden auf eine physische Etikettierung verzichten.
Zudem solle der Bundesrat sich bei der EU um eine Lösung bemühen. Damit Schweizer Unternehmen für die Umsetzung der neuen Anforderungen für bereits zertifizierte Produkte eine Übergangsfrist bis Ende 2024 erhalten.