Syrien: Schickt die Schweiz Flüchtlinge jetzt zurück?
Das Assad-Regime ist gestürzt, Rebellen fordern Syrer zur Rückkehr auf. Doch wie steht es um ihren Aufenthaltsstatus – schickt die Schweiz Flüchtlinge zurück?
Das Wichtigste in Kürze
- Nach dem Sturz von Assad rufen Rebellen Syrer zur Rückkehr ins Land auf.
- Doch wie steht es um den Aufenthaltsstatus – werden Aufenthaltsbewilligungen aufgehoben?
- Das Staatssekretariat für Migration (SEM) erklärt, worauf es ankommt.
- Deutschland entscheidet vorläufig nicht mehr über syrische Flüchtlings-Gesuche.
Es kam überraschend: Seit Sonntag steht fest, dass der syrische Präsident Baschar al-Assad gestürzt wurde. Teheran sieht sich geschwächt, der Iran möchte an seinem Widerstand gegen Israel festhalten.
Die Macht im Land hat Mohammed al-Dschulani übernommen, der Anführer der Rebellen, die den Umsturz herbeigeführt haben.
Die neue Führung ruft Syrer weltweit auf, in ihre Heimat zurückzukehren. Die Botschaft: Syrien sei nun sicher.
Gehandelt wird bereits in Deutschland. Weil die Lage in Syrien unklar ist, verhängt das deutsche Bundesamt für Migration am Montag einen sofortigen Entscheidungs-Stopp für Asylanträge von Syrern.
Und die Schweiz?
Wie steht es um die Aufenthaltsberechtigung syrischer Flüchtlinge in der Schweiz – ist es in Syrien jetzt tatsächlich sicher? Kehren die Syrer tatsächlich zurück? Oder droht angesichts potenzieller Instabilität eine neue Flüchtlingswelle, möglicherweise auch in Richtung Schweiz?
Auf Anfrage von Nau.ch äussert sich Reto Kormann, Mediensprecher des Staatssekretariats für Migration (SEM). Anders als die Deutschen hat die Schweiz noch keinen Entscheid gefällt: «So kurz nach dem Machtwechsel ist es noch zu früh, um dies verlässlich einzuschätzen.»
Zunächst müsse abgewartet werden, welche Pläne die neuen Machthaber verfolgen.
Entscheidend sei, wie sich das politische und gesellschaftliche Leben nach dem Sturz Assads entwickle.
SEM: Darum müssen syrische Flüchtlinge noch nicht zurück
Kormann erinnert: «Das Land ist seit 14 Jahren von kriegerischen Auseinandersetzungen gezeichnet. Die Infrastrukturen sind weitgehend zerstört.»
Das SEM beobachte die Entwicklungen in den Herkunftsländern von Asylsuchenden kontinuierlich.
Auf Grundlage dieser Analysen werde die Asylpraxis, wenn nötig, angepasst. Dies betreffe sowohl mögliche Flüchtlingsströme als auch Rückführungen.
Kormann stellt klar: «Erst nach fundierten Analysen und auf Basis der geltenden Rechtsprechung passt das SEM seine Asyl- und Rückführungspraxis gegebenenfalls an.»
Gehen Syrer freiwillig?
Vielleicht ist es aber auch gar keine Frage des «Müssens». Therese Junker, Co-Präsidentin Verein Syrien-Schweiz, zu Nau.ch: «Ich denke, es gibt recht viele, die in die Heimat zurückkehren werden.»
Die meisten würden aber noch etwas abwarten und schauen, «wie sich die Situation in der nächsten Zeit in Syrien entwickelt.» Ins selbe Horn bläst Nationalrat Fabian Molina (SP).
Mit Hinblick auf das gestürzte Assad-Regime sagt er: «Wenn dieser Neustart gelingt, bin ich überzeugt, dass viele Syrerinnen und Syrer in ihre alte Heimat zurückkehren möchten.»
Voraussetzung sei aber, dass rasch ein Waffenstillstand vereinbart wird. «Ausländische Truppen müssen sich zurückziehen.»
Markiert Machtwechsel in Syrien Wendepunkt für Flüchtlinge?
Migrationsforscher Gerald Knaus sieht die Möglichkeit eines «historischen Wendepunkts» in der Flüchtlingssituation, sollte in Syrien Stabilität hergestellt werden.
Er sagt dem Magazin «Stern»: «Syrische Flüchtlinge in den Nachbarländern haben sofort die Chance zu sehen, ob es in ihrer Heimat wieder sicher ist.»
Sollte sich dies bewahrheiten, würden «Asylanträge in Deutschland und anderen europäischen Ländern zurückgehen.»