Taskforce-Mitglied: «Innert Wochen könnte das halbe Land erkranken»
Das Wichtigste in Kürze
- Richard Neher warnt davor, dass sich bald wöchentlich 3% der Bevölkerung anstecken könnte.
- Das Taskforce-Mitglied fordert Massnahmen, um die Spital-Überlastung zu verhindern.
- Laut Bundespräsident Cassis ist die Situation aber «noch zu managen»
In der Schweiz könnte innert weniger Wochen die halbe Bevölkerung nach Ansicht des Taskforce-Experten Richard Neher am Coronavirus erkranken. Dies, wenn sich die Omikron-Variante im gleichen Tempo wie bisher ausbreite. 30'000 Fälle pro Tag seien im Januar «denkbar».
Nur schon 20'000 Fälle pro Tag in der Schweiz und eine ebenso hohe Dunkelziffer bedeuteten, dass sich pro Woche rund 3 Prozent der Bevölkerung infizierten. Dies sagte das 42-jährige Mitglied der wissenschaftlichen Corona-Taskforce des Bundes im Interview mit der «SonntagsZeitung».
Zwar sei die Omikron-Variante gemäss ersten Daten aus Grossbritannien und Südafrika «etwas milder», sagte der Virenforscher und Biophysiker der Universität Basel. Trotzdem seien die Zahl der Hospitalisierungen nicht unerheblich.
Neher: «Ausbreitung muss jetzt gebremst werden»
«Die Fallzahlen steigen sehr schnell, und wir haben nicht mehr viel Spielraum in den Spitälern», sagte Neher. Selbst wenn ein kleinerer Bruchteil der Fälle hospitalisiert werde, könnten sehr viele Fälle in kurzer Zeit das System schnell an die Grenze bringen. Wolle man eine grössere Krise in den Spitälern verhindern, «muss die Ausbreitung jetzt gebremst werden».
Als mögliche Massnahmen nannte der Wissenschaftler Beschränkungen von Grossveranstaltungen und für Orte, wo sich Menschen weiterhin ohne Maske in Innenräumen treffen. Die letzten knapp zwei Jahre hätten gezeigt, dass Kontaktbeschränkungen funktionierten und damit Wellen gebrochen werden könnte, sagte Neher.
Bundespräsident Ignazio Cassis sah vorerst keinen Handlungsbedarf. Kurzfristig müsse eine Überlastung der Intensivstationen verhindert werden, aktuell sei aber deren schweizweite Belegung mit circa 80 Prozent «noch zu managen», sagte der Tessiner Bundesrat und Arzt im Interview mit dem «SonntagsBlick».
Cassis: «Interkantonale Solidarität» fängt lokale Engpässe ab
Die Kapazitäten könnten gesteigert werden, falls dies nötig sei, erklärte Cassis. «Im Moment ist das aber nicht der Fall.» Lokale Engpässe könne es geben, dann komme wie in der ersten Welle «die interkantonale Solidarität» zum Tragen. «Und wir sind jederzeit bereit, auch mit Bundesmitteln wie dem Zivilschutz oder der Armee darauf zu reagieren.»
Für den obersten Gesundheitsdirektor Lukas Engelberger sind die nächsten Tage «entscheidend». Bis am Mittwoch würden neue Daten vorliegen, die zeigten, in welche Richtung es gehe, wurde der Präsident der Gesundheitsdirektorenkonferenz und Basler Regierungsrat in der «SonntagsZeitung» zitiert.
Steige die Auslastung der Intensivstationen bis dahin weiter an, werde der Bundesrat nicht darum herumkommen, nächste Woche neue Massnahmen zu beschliessen oder den Kantonen zur Konsultation vorzulegen.
Taskforce-Vizepräsident Urs Karrer warnte in der «NZZ am Sonntag» davor, Omikron zu unterschätzen. «Unsere grösste Sorge ist aktuell, dass wir im Januar und Februar sehr viele Covid-19-Patientinnen und -Patienten behandeln müssen und dass uns gleichzeitig sehr viel Personal fehlen wird, das selber krank, in Isolation oder in Quarantäne ist.»
Neher: Das Gröbste der Omikron-Welle Ende Januar vorüber
Auch die Betreuung kranker oder isolierter Kinder des Personals könnten die Engpässe zusätzlich verschärfen, sagte der Infektiologe am Kantonsspital Winterthur im Interview. Zudem könne es trotz intensivierten Hygienemassnahmen schwierig werden, Omikron-Ansteckungen in den Spitälern und Pflegeheimen zu verhindern.
Braucht es in der Schweiz striktere Corona-Massnahmen?
Bereits Ende Januar könnte das Gröbste der Omikron-Welle vorüber sein, schätzte Taskforce-Mitglied Richard Neher. Dem Virus würden ab einem gewissen Zeitpunkt die Wirte allmählich ausgehen. In Teilen Südafrikas scheine dieser Punkt schon erreicht zu sein.
«Das Virus wird zwar nicht verschwinden und uns sicher auch im nächsten Winter beschäftigen», sagte Neher. «Aber nicht in dem Ausmass, dass es erneut zu einer Krise kommen wird.»