Teilzeitarbeit: Wer soll wegen des Fachkräftemangels mehr arbeiten?
Der Fachkräftemangel wirft neue Fragen auf. Eine Studie zeigt: Teilzeitarbeitende sollen dem entgegenwirken, nicht aber Mütter.
Das Wichtigste in Kürze
- Im Auftrag der Initiative #geschlechtergerechter wurde eine Studie durchgeführt.
- Im Fokus dabei stand die Geschlechterfrage im Zusammenhang mit Teilzeitarbeit.
- Die Vier-Tage-Woche ist erstaunlich beliebt.
Eine neue Studie des Forschungsinstituts Sotomo zeigt: Das Verhältnis der Schweizer zu Teilzeitarbeit ist ambivalent, und Geschlechterrollen sind allgegenwärtiger, als es scheint. Durchgeführt wurde die Studie im Auftrag der Initiative #geschlechtergerechter. Umfasst hat die repräsentative Umfrage 2000 Teilnehmende.
Von rechts bis links ist die Vier-Tage-Woche erstaunlich populär in der Schweizer Bevölkerung. In Island wurde das Modell zuerst eingesetzt: eine verkürzte Arbeitswoche mit dem gleichen Lohn.
In der Schweiz sind nicht nur linke Wähler und jüngere Befragte empfänglich für dieses Konzept. In der Basis der Mitte-Partei wird der Vorschlag «eher» oder sogar «stark» befürwortet. Gegenüber dem «Tagesanzeiger» sagt der Studienautor Michael Hermann: «Es ist etwas in Bewegung geraten. Das berühmte Schweizer Arbeitsethos bröckelt.»
Spannungsfeld, wenn es um Teilzeitarbeit geht
Insgesamt stellten die Studienmacher bei den Befragten «ein beträchtliches Spannungsfeld» betreffend ihrer Einstellung zur Teilzeitarbeit fest. So sei eine Mehrheit der Meinung, dass angesichts des Fachkräftemangels eigentlich mehr gearbeitet werden müsste. Ebenso fanden mehr als zwei Drittel der Befragten, «dass wir in der Schweiz eigentlich zu viel arbeiten».
Dieses Spannungsfeld führt zu scheinbar widersprüchlichen politischen Forderungen, wie es im Begleitschreiben der Studie heisst. So befürworteten die Befragten mehrheitlich einen garantierten Kita-Platz für alle und eine finanzielle Unterstützung von Eltern, die ihre Kinder selber betreuen. «Die Bevölkerung spricht sich für die Unterstützung von Familien aus, unabhängig von der Wirkung auf die Erwerbsbeteiligung», schrieben die Macher der Studie.
Ebenso bringt die Studie zum Vorschein, dass Väter laut einer Mehrheit der Teilnehmenden mehr arbeiten sollen als Mütter. Doch es gab kleine Unterschiede.
Männer und Frauen waren sich einig: Das ideale Arbeitspensum für Väter von schulpflichtigen Kindern beträgt 80 Prozent, so die Sotomo-Studie. Einig waren sich die zwei Geschlechtergruppen auch, dass Mütter weniger arbeiten sollten als Väter – das Familienmodell mit dem Mann als Haupternährer findet demnach noch immer Anklang.
Kleine Unterschiede gab es aber bei der Frage nach dem perfekten Erwerbspensum für Mütter. So hielten Frauen bei Müttern von schulpflichtigen Kindern ein 60-Prozent-Pensum für ideal, Männer hingegen ein 50-Prozent-Pensum. Mütter von Kleinkindern sollen nach den Vorstellungen der Studienteilnehmerinnen 50 Prozent arbeiten, die männlichen Studienteilnehmer hielten 45 Prozent für ausreichend.
Wie die Macher der Studie schrieben, bevorzugten Personen mit Hochschulabschluss, jüngere Menschen sowie solche, die linken Parteien näherstehen, egalitäre Aufteilungen der Erwerbsarbeit.
Kinderlose statt Mütter sollen Pensum erhöhen
Schwer hat es laut der Studie die jüngst akzentuiert aufgestellte Forderung, dem sich zuspitzenden Fachkräftemangel mit einer Erhöhung der Erwerbsbeteiligung von Müttern zu begegnen. Es sei sogar die Gruppe, welche die Befragten zuletzt in die Pflicht nehmen würden.
Hingegen begegnen kinderlose Teilzeitarbeitende gewissen Vorbehalten. So waren knapp 50 Prozent der Befragten der Meinung, dass kinderlose Teilzeitarbeitende ihr Pensum aufstocken sollten, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Zudem sprach sich eine deutliche Mehrheit dafür aus, dass eigentlich gutverdienende Teilzeitarbeitende keinen Anspruch auf Vergünstigungen etwa bei den Kita-Kosten oder der Krankenkassenprämien haben sollten.