Experten empfehlen weniger Teilzeit in Kampf gegen Lehrkräftemangel
Die Begrenzung von Teilzeitarbeit an Schulen könnte den Lehrkräftemangel lindern.
Das Wichtigste in Kürze
- Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz legt Stellungnahme vor.
Hier liege die «grösste Beschäftigungsreserve», erklärte die wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz am Freitag. Die Expertinnen und Experten empfehlen ausserdem mehr Initiativen, um Lehrkräfte im Ruhestand für das Weiterarbeiten zu gewinnen.
Eine Teilzeit von unter 50 Prozent solle nur bei «eng gefassten Gründen» wie etwa der Betreuung kleiner Kinder gestattet werden. Sabbatmodelle sollten überprüft werden. Zusätzlich solle geprüft werden, das Stundendeputat befristet zu erhöhen, empfiehlt die Kommission. Da es schwierig würde, dies wieder auszugleichen, sei eine finanzielle Abgeltung realistischer. Auch sollten ausländische Abschlüsse leichter anerkannt werden.
Zudem könnten Studierende an Schulen eingesetzt werden, um beispielsweise Arbeiten zu korrigieren. Weitere Empfehlungen sind, Lehrkräfte von organisatorischen Aufgaben zu entlasten und Gymnasiallehrkräfte für die Arbeit an anderen Schulformen zu qualifizieren. Der Bedarf sei besonders an Grundschulen und in den jüngeren Klassen an anderen Schulformen gross, hiess es. Gleichzeitig gebe es in einigen Fächern ein Überangebot an Lehrkräften für das Gymnasium. Es solle leichter werden, sich für den Unterricht in einem Mangelfach nachzuqualifizieren.
In gymnasialen Oberstufen könne Hybridunterricht erprobt werden – dass also ein Teil der Jugendlichen per Videokonferenz zugeschaltet werde. So könnten Schulen zu mehr Kooperationen motiviert und Gelegenheiten geschaffen werden, «dass zwei Kurse simultan von derselben Lehrkraft unterrichtet werden», erklärte die Kommission. Für die Korrektur von Arbeiten könne diesen möglicherweise eine Assistenz zur Seite gestellt werden. In der Oberstufe könne ausserdem versucht werden, einen Teil des Unterrichts unter strengen Voraussetzungen durch Selbstlernzeiten zu ersetzen.
Zusätzlich empfehlen die Expertinnen und Experten für ländliche Räume eine «systematische regionale Schulentwicklungsplanung mit dem Ziel, kleinere Schulen zu grösseren Einheiten zusammenzufassen». Auch eine befristete Heraufsetzung der Klassengrössen in der Sekundarstufe eins dürfe nicht ausgeschlossen werden, sei aber «Ultima Ratio». Schliesslich brauche es Massnahmen zur vorbeugenden Gesundheitsförderung bei Lehrkräften wie etwa Achtsamkeitstrainings und Coaching.
An deutschen Schulen fehlen tausende Lehrer, nach Angaben des Deutschen Lehrerverbands sind es schon 32.000 bis 40.000. Die Kultusministerkonferenz ihrerseits prognostiziert laut Stellungnahme der Kommission, dass bis 2025 rund 25.000 Lehrkräfte fehlen. Dabei gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Schulformen und den Fächern. Überall fehlten etwa Lehrkräfte für Mathematik, Chemie, Physik, Musik und Kunst.
Lehrergewerkschaften kritisierten die Empfehlungen der Kommission. «Allen, die mit in der Hoffnung auf Besserung seit Monaten und Jahren bis an die Grenzen der Belastbarkeit und darüber hinaus arbeiten, wird jede Vision geraubt», kommentierte der Bundesvorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung, Gerhard Brand.
Die Bundesvorsitzende des Deutschen Philologenverbands, Susanne Lin-Klitzing, erklärte: «Dass die erste Empfehlung ausgerechnet die Erhöhung des Drucks auf die im Dienst befindlichen Lehrkräfte ist, ignoriert nicht nur die bestehende Überlast, sondern wird umgekehrt zu mehr statt weniger Unterrichtsausfall führen, weil immer mehr Kolleginnen und Kollegen einfach nicht mehr können.»
Die Kultusministerinnen und -minister hätten den Lehrkräftemangel jahrelang kleingerechnet. «Die jetzt vorgelegten Massnahmen sind ein Ausdruck der Hilfslosigkeit», erklärte die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Maike Finnern.
Die Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion für Bildungspolitik, Nina Stahr, dagegen teilte mit, die Empfehlungen enthielten «viele gute Anregungen». Einschränkungen der Möglichkeit zur Teilzeitarbeit und von Sabbatmodellen sehe ihre Partei aber skeptisch.
«Diese Empfehlung liest sich, als hätte man sich damit abgefunden, dass man eben nicht mehr Menschen für den Lehrberuf begeistern kann», erklärte die Sprecherin für Bildung und Wissenschaft der Linksfraktion im Bundestag, Nicole Gohlke.