Thurgauer Parlament missachtet Bundesgericht – Nein zu Einbürgerung
Der Thurgauer Grosse Rat verweigerte am Mittwoch ein umstrittenes Einbürgerungsgesuch eines Syrers.
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Der Thurgauer Grosse Rat hat am Mittwoch das umstrittene Einbürgerungsgesuch eines Syrers abgelehnt. Damit missachtet das Kantonsparlament einen Entscheid des Bundesgerichts. Dieses wies die Behörden an, den Mann einzubürgern.
Die Mehrheit des Parlaments folgte mit 72 zu 42 Stimmen dem Antrag, das Gesuch eines Syrers abzulehnen. Der Mann lebe nicht in geordneten finanziellen Verhältnissen, wie es die kantonale Gesetzgebung als Voraussetzungen für eine Einbürgerung verlange. Ausserdem sei er sowohl gesellschaftlich als auch wirtschaftlich schlecht integriert, erklärte ein Sprecher der SVP.
Seit 2006 wohnt der Syrer in der Schweiz. Unter anderem arbeitet er als Übersetzer am Gericht. 2018 stellte er ein Gesuch um Einbürgerung, das die Behörden wegen geschuldeten Alimentenbevorschussungen in der Höhe von 11'500 Franken ablehnten.
Dagegen wehrte sich der Mann bis vor Bundesgericht. 2023 rügte dieses den negativen Einbürgerungsentscheid nach einem fünfjährigen Streit als «unhaltbar und willkürlich». Der Mann solle eingebürgert werden, wies das Bundesgericht die zuständige Gemeinde Romanshorn an.
Romanshorn bürgert Mann nach Bundesgerichtsurteil ein
Die Gemeinde Romanshorn bürgerte den Mann aufgrund des Bundesgerichtsurteils schliesslich ein. Am Mittwoch hätte das Einbürgerungsgesuch im Thurgauer Kantonsparlament die letzte Hürde nehmen sollen.
Doch die Mehrheit des Kantonsrats folgte der Empfehlung der Justizkommission. Diese verlangte vom Parlament mit 6 zu 5 Stimmen, das Einbürgerungsgesuch abzulehnen. Aufgrund der nach wie vor bestehenden Schuld aus der Alimentenbevorschussung könne noch immer nicht von geordneten finanziellen Verhältnissen ausgegangen werden.
Kommission stellt kantonales Gesetz über Bundesgerichtsurteil
Die Kommission argumentierte mit der kantonalen Gesetzgebung, wonach mit ausstehenden familienrechtlichen Unterhaltspflichten die Voraussetzungen für eine Einbürgerung nicht erfüllt seien. Und sie stellte kantonales Gesetz über den Entscheid des Bundesgerichts: «Die Verpflichtung gegenüber dem Bürger, die eigenen Gesetze einzuhalten, ist grösser als dem Urteil des Bundesgerichts nachzukommen», hiess es im Kommissionsbericht.
«Wir erachten das Urteil des Bundesgerichts aus verfassungsrechtlicher Sicht als fragwürdig», erklärte der Fraktionssprecher der SVP.
Die Mehrheit der FDP vertrat wiederum die Meinung, unter Berücksichtigung der Gewaltentrennung gelte es, das Gerichtsurteil zu respektieren. Ein erneuter Gang vor Bundesgericht, wie es der Einbürgerungswillige gegenüber Medien bereits ankündigte, werde kaum zu einem anderen Urteil der Richter in Lausanne führen. «Und wir haben auch eine Verantwortung gegenüber unserer Staatskasse», argumentierte der Sprecher der FDP vergebens.