Tiktok: Bücher gehen viral – Kids lesen trotzdem nicht mehr
Dank Tiktok werden gewisse Bücher populärer – die Läden spüren das in der Nachfrage. Das Leseverhalten von Jugendlichen wird aber auch negativ beeinflusst.
Das Wichtigste in Kürze
- Auf Tiktok werden viele Buchempfehlungen abgegeben.
- Die Trends erreichen jedoch vor allem Jugendliche, die ohnehin schon gerne lesen.
- Derweil stehen schwächere Leserinnen und Leser vor einer grossen Herausforderung.
Viele Kinder und Jugendliche sind heute digital unterwegs. Besonders beliebt ist die Videoplattform Tiktok, die schon mehrfach für negative Schlagzeilen sorgte. Bei den teils gefährlichen viralen Challenges sind schon Kinder ums Leben gekommen.
Doch offenbar hat Tiktok nicht nur schlechten Einfluss auf die Kids. Viele scheinen dank «Booktok» – Buchempfehlungen über Tiktok – zum Lesen inspiriert zu werden. Einige Nutzerinnen und Nutzer geben auf der Plattform nämlich Empfehlungen zu ihren Lieblingsbüchern ab.
Wer sich nun in Buchhandlungen umsieht, entdeckt dort viele Bücher, die wohl durch Tiktok bekannt geworden sind. Entsprechend werden diese auch beworben.
«Das Tiktok-Phänomen endlich auf Deutsch!», heisst es etwa auf einem Sticker. Diese werden vom Verlag auf die Bücher geklebt, erklärt Valora, zu der die Buchhandlungen Press & Books gehören, auf Anfrage.
Booktok-Trends «in der Nachfrage spürbar»
Bei Orell Füssli finden sich ähnliche Hinweise auf einigen Büchern. Mediensprecher Alfredo Schilirò bestätigt: «Buchempfehlungen über Tiktok sind zunehmend von Bedeutung.»
Tiktok habe demnach sogar einen Einfluss auf das Angebot in den Läden. «Auf der Basis der besprochenen Bücher auf Booktok optimieren wir laufend unser Sortiment», sagt Schilirò.
Denn: «Bei jungen Leserinnen und Lesern sind die in Booktok besprochenen Bücher hoch im Kurs.» Die entsprechenden Trends verstärkten die Nachfrage, so Schilirò.
Das zeige sich vor allem in den Bereichen Romance und Young Adult.
Werden Kinder und Jugendliche nun also dank Tiktok zu Leseratten? Nau.ch hat beim Schweizerischen Institut für Kinder- und Jugendmedien nachgefragt.
Grosse Herausforderung für schwächere Leser
Christine Tresch relativiert: «Booktok spricht vor allem junge Frauen an, die gerne lesen.» Die auf der Plattform beliebten Bücher stammten auch fast ausschliesslich aus dem Bereich der sogenannten Romantasy. Der Algorithmus hinter Booktok erkenne die Lesevorlieben der Nutzerinnen und liefere ihnen die Clips, die sie interessieren.
Dass Kinderbücher über Booktok zu vermehrter Aufmerksamkeit gelangen, sei bisher noch nicht der Fall. «Verlage und Buchhandlungen haben mit ihren Booktok-Videos ja in erster Linie junge Erwachsene im Visier.»
Fragen müsse man sich aber, wie kurze Videos wie die auf Tiktok das Lesen verändern könnten: «Im Internet wird weitergeklickt, wenn einem etwas nicht gefällt. Wer ein Buch liest, muss sich aber auf einen längeren Text einlassen können», erklärt Tresch. Für gute Leserinnen und Leser sei das kein Problem, für Kinder und Jugendliche mit schwächeren Lesekompetenzen aber eine grosse Herausforderung.
Tresch betont: «Dass gewisse Bücher über Social Media zu Bestsellern werden, ist nicht neu.» So hat beispielsweise die erfolgreiche «Fifty Shades of Grey»-Reihe ihre Anfänge auf der Online-Plattform «Fanfiction.net». Dort wurde die an «Twilight» angelehnte Geschichte wie wild geklickt – und später in der realen Welt ein Bestseller.
