«Typisch Emil» ist ein beeindruckender Film über Emil Steinberger
Mit «Typisch Emil» hat der Filmemacher Phil Meyer einen bewegenden Rückblick auf das lange Leben des Schweizer Kabarettisten Emil Steinberger geschaffen.
Mit «Typisch Emil» ist dem Luzerner Filmemacher Phil Meyer ist ein berührender Rückblick auf das lange Leben des Schweizer Kabarettisten Emil Steinberger gelungen. Der Dokumentarfilm hat am Donnerstagabend am Zurich Film Festival Weltpremiere gefeiert.
Alt sei, wer nicht mehr sehe, dass ihm Haare aus der Nase und den Ohren wachsen, sagt Emil. Seine Ehefrau Niccel lacht, und Emil stimmt ein. Gerade hatte sie auf seinen Wunsch hin ein Härchen gezupft. Das ist eine der ersten Szenen des Films «Typisch Emil». Der Kabarettist wirft vor einem Auftritt einen letzten Blick in den Garderobenspiegel.
Die Szene ereignete sich vor nicht langer Zeit, nach der Pandemie, als Emil Steinberger mit seinem Programm «Emil schnädered» unterwegs war. Bei seinem Besuch am 20. Zurich Film Festival (ZFF) ist der Kabarettist 91 Jahre alt und hat mit seiner Frau Niccel, wie er gegen Ende des Films sagt, «noch einiges im Köcher». Das Festival ehrt ihn für sein Lebenswerk mit dem Lifetime Achievement Award.
Eine feierliche Hommage
Der Dokumentarfilm «Typisch Emil» lebt zu grossen Teilen von Ausschnitten aus Bühnenprogrammen. Egal in welchem Jahr Steinberger seinen Emil spielte, er machte das Publikum glücklich. Als Polizist, als Vater mit Kinderwagen, als Bergler, als Restaurantbesucher.
Dass seine legendären Sketche auch heute noch funktionieren, zeigt sich mit jedem lauten Lacher im Kinopublikum deutlicher. Der Dokumentarfilm ist in erster Linie ein riesengrosser Spass. Und er ist eine feierliche Hommage.
Langjährige Wegbegleiter wie der Schriftsteller Franz Hohler, die Sängerin Vera Kaa oder der deutsche Journalist Hans Zippert erinnern sich an die kreative Kraft, die Emil Steinberger von Anfang herausstechen liess. Autor und Kabarettist Bänz Friedli lobt die hohe Kunst des Schauspielers, nie laut zu werden. «Emil ist lieb zu seinen Figuren und hat die Menschen gern.»
Film legt schwierige Phase in Emils Laufbahn vor
«Typisch Emil» gräbt aber auch tiefer. So beleuchtet Regisseur Phil Meyer, der mit seinem Film über den Schweizer Kabarettisten seinen ersten langen Dokumentarfilm vorlegt, eine besonders schwierige Phase in Emils Laufbahn. Jene um das Jahr 1987, als dieser seine Karriere vorläufig beendete.
Von einer «Enge» spricht der Künstler, als er sich im Film zurückerinnert. Von seinem damals sehr dringlichen Wunsch, «mal wieder ein Nobody» zu sein. Emil war damals nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Deutschland, Frankreich und Italien bekannt.
Die «Blick»-Aushänge mit mehr oder weniger wahren Schlagzeilen über ihn hat er gesammelt und zu einem eindrücklichen Gesamtbild verarbeitet. Sie haben ihn zuweilen belastet. Anfang der 1990er Jahre verabschiedete er sich also nach New York. Dort kam er mit seiner zweiten Ehefrau, der Künstlerin Niccel Steinberger (ehemals Kristuf) zusammen, die er 1999 heiratete.
Emils «steife Nest»
Nachdenklich stimmen auch jene Passagen, in denen der erfolgreichste Schweizer Kabarettist aller Zeiten über das «steife Nest» erzählt, in dem er aufgewachsen ist. Über seine Mutter, die ihm seine Entscheidung für die Kunst (oder eben «Dummheiten») nie verziehen hat.
Seinen ersten Emil-Auftritt hatte sie 1977 besucht. Das war im Circus Knie. Während ihn die Fans schweizweit belagerten, schwärmte seine Mutter nur von der Pferdenummer, wie Emil im Filmporträt erzählt.
Gewisse Familiensituationen baute er in seine Programme ein. Es ist ein cleverer Kniff des Regisseurs, das entsprechende Archivmaterial so in das Porträt einzuarbeiten, dass Emils Talent, schwierige Erfahrungen in Komik umzuwandeln, sichtbar wird. «Typisch Emil» ist also auch ein Film über einen Mann, der nie müde geworden ist, das Positive zu sehen.
Lachen als Geheimrezept für ein langes, glückliches Leben
In aktuelleren Filmszenen treibt Steinberger die Masse an Archivmaterial um, die sich über die Jahrzehnte in seinen Kisten und Ordnern angesammelt hat. Manchmal werde ihm fast schlecht, wenn er das alles sehe, sagt er einmal. Man kann sich vorstellen, dass auch Phil Meyer gut überlegen musste, worauf er in seinem Film das Augenmerk legen will. Bereiche in Emils Leben, wie etwa seine erste Ehe und die beiden Söhne, liess er aus. Um der Versöhnung Emils mit sich selbst als Bühnenfigur ausreichend Raum zu geben.
«Typisch Emil» legt die Vermutung nahe, dass Lachen das Geheimrezept für ein langes, glückliches Leben ist. Das Lachen, die Liebe und die Freiheit, sich kreativ auszuleben. Während 120 Minuten gibt es kaum eine Szene, in der der Protagonist nicht lacht oder das Kalb macht. Selbst dann nicht, als er und Niccel sich zum Thema Tod äussern.
Es sei nicht sicher, dass ihr Mann vor ihr sterben werde, sagt sie. Aber rein altersmässig müsse man davon ausgehen. Worauf Emil erwidert, er würde die Welt auf jeden Fall erfüllt und «happy» verlassen. Aber damit wolle er sich Zeit lassen.
*Dieser Text von Miriam Margani, Keystone-SDA, wurde mithilfe der Gottlieb und Hans Vogt-Stiftung realisiert.