Ukraine-Krieg: Skeptiker kritzeln Botschaften in Kriegs-Ausstellung
«Lügenpresse» und «glaub nicht alles» skandieren Skeptiker in einer Kriegsausstellung. Lügen über den Ukraine-Krieg halten sich – auch in der Schweiz.
Das Wichtigste in Kürze
- In einem Solothurner Museum hinterlassen Gäste skeptische Botschaften.
- Viele berichten über Sorgen wegen der Ukraine. Die Skeptiker dazu: «Lügenpresse!»
- Das Museum belässt die Botschaften bewusst im Gästebuch – als Zeitzeugnisse.
«Glaub nicht alles», steht da in Handschrift. Oder «Lügenpresse»! Es sind Antworten auf die Frage in einem Solothurner Museum: «Welcher Krieg betrifft Sie und warum?»
Viele Gäste berichten im Buch des Alten Zeughauses über den Ukraine-Krieg, einige wurden deshalb selbst vertrieben. Andere erzählen von ihrer Familie, die den Zweiten Weltkrieg erlebt hat.
Doch dazwischen finden sich mehrere Botschaften, die herausstechen. «Die Geschichte, die uns erzählt wird, ist gegen uns», schreibt eine Frau namens Claudia vieldeutig.
«Aber dies muss erst noch von jedem für sich und im Kollektiv erkannt werden.» Und esoterisch angehaucht fordert sie: «Glaube nicht alles, was du siehst. Fühle.»
In Verschwörer-Kreisen sind anti-ukrainische und pro-russische Erzählungen verbreitet. Die Vermutung liegt nahe, dass mit den «Lügen»-Vorwürfen die Berichterstattung in den westlichen Medien über den Ukraine-Krieg kritisiert wird.
Botschaften dürften aus «Querdenker-Milieu» stammen
Osteuropa-Experte Ulrich Schmid erklärt bei Nau.ch: «Die beiden Botschaften scheinen aus dem Querdenker-Milieu zu stammen, deren Mitglieder die Qualitätsmedien radikal infrage stellen.»
Der Vorwurf der «Lügenpresse» sei vor allem am rechten Rand verbreitet. Den zweiten Kommentar ordnet er wegen des sozialistischen Begriffs «Kollektiv» eher Linksaussen zu.
Schmid und auch Nicolas Hayoz, Professor für Osteuropastudien, bestätigen gegenüber Nau.ch, dass in der Schweiz Verschwörungstheorien zum Ukraine-Krieg im Umlauf sind. Laut Hayoz sind aber eher Lügen ein Thema. Das sei ein Unterschied – auch, wenn die Grenzen fliessend seien.
«Lügen, die Verständnis zeigen für Putin, werden gerade von populistischen extremistischen Parteien in die Welt gesetzt. Sie unterstellen ihm redliche Absichten und sind gegen Militärhilfe für die Ukraine.»
«Alles wird ins Gegenteil verkehrt»
Die gängigsten Lügen zum Ukraine-Krieg kämen von Putins Regime, sagt Hayoz. «Beispielsweise, dass Russland überhaupt nicht der Aggressor ist, sondern Opfer. Ein Opfer, das sich dem gesamten Westen gegenübersieht und sich entsprechend verteidigen muss.»
Andere Desinformationen: «Die Ukraine wollte eigentlich Russland angreifen und nicht umgekehrt. Die Ukraine hat ‹Genozid› begangen gegenüber der russischen Bevölkerung in der Ukraine.»
Wie bei George Orwells Buch «1984» kehre Russland die Wahrheit einfach auf den Kopf: «Alles wird ins Gegenteil verkehrt.»
Hinzu kommt die haltlose Behauptung, die Ukraine werde von einem Nazi-Regime regiert. Zur Erinnerung: Präsident Wolodymyr Selenskyj ist selbst jüdischer Abstammung. Auch behauptet wird, dass es die Ukraine gar nicht gibt als Nation.
«Amerika sei schuld am russischen Überfall auf die Ukraine», ist laut Schmid eine weitere gängige Verschwörungstheorie. Oder «die amerikanische Rüstungsindustrie verhindere einen Frieden, um ihre Waffengeschäfte zu sichern».
Westliche Extremisten finden autoritäres Russland sympathischer
Doch warum finden anti-ukrainische Lügen im Westen überhaupt Anklang?
Nicolas Hayoz erklärt: Vielfach habe das damit zu tun, dass extremistische Gruppierungen grössere Sympathien haben für das autoritäre Russland als für die Ukraine. Ein Beispiel sei die AfD in Deutschland.
«Bei vielen dieser Gruppierungen gibt es eh einen verbreiteten Antiamerikanismus, negative Einstellungen gegenüber der NATO, und so weiter.»
Russland fördere solche Erzählungen. «Sie sind Teil eines hybriden Kriegs, der die öffentliche Meinung im Westen beeinflussen, Zweifel und Konflikte schüren soll.»
Museum lässt Skeptiker-Botschaften zum Ukraine-Krieg stehen
Das Solothurner Museum lässt die Botschaften bewusst stehen. Museumsleiter Adrian Baschung sagt zu Nau.ch, dass sie schliesslich keine Desinformation verbreiten.
Trotzdem – das Gästebuch werde jeweils überprüft. «Dabei steht für uns klar fest, dass sexistische und rassistische Äusserungen und Symbolik sowie Gewaltaufrufe nicht toleriert werden.»
Da die Skeptiker-Botschaften nicht gegen diese Regeln verstossen, lasse das Museum sie im Gästebuch. «So kann ein Dialog mit Gästen entstehen, die eine andere Haltung einnehmen. Dies entspricht auch unserer Auffassung der demokratischen Meinungsfreiheit.»
Zudem würden die Aussagen als Zeitzeugnisse aufbewahrt.