VCS und Konsumentenschutz fordern berechenbare und faire Tarife
Mit «myRide» hat Alliance Swisspass ein neues Tarifsystem vorgestellt. Der Preis wird dort durch den Fahrten-Konsum bestimmt. Das sorgt für Kritik.
Das Wichtigste in Kürze
- Wer regelmässig den ÖV benutzt, zahlt streckenmässig weniger.
- So soll das neue Tarifsystem von Alliance Swisspass «myRide» funktionieren.
- Der Konsumentenschutz und der VCS kritisieren das Pilotprojekt.
Konsumentenschutz und VCS fordern berechenbare Tarife im öffentlichen Verkehr. Mit dem von der Alliance Swisspass angedachte Tarifsystem «myRide» drohe der Ticketpreis zur «Blackbox» zu werden. Da das Tarifsystem ein Smartphone voraussetze, erhöhe es zudem die Zugangshürden.
Der Konsumentenschutz und der Verkehrs-Club der Schweiz (VCS) begrüssten eine sinnvolle Weiterentwicklung des Tarifsystems und des Billettverkaufs grundsätzlich, stellten die beiden Verbände am Dienstag vor den Medien in Bern fest.
«Individuelle Tarifwelten und dynamische Preise, die aufgrund des Verhaltens in der Vergangenheit berechnet werden, widersprechen aber dem vom Gesetzgeber vorgesehenen Grundsatz, wonach für Reisende in vergleichbarer Lage vergleichbar Bedingungen gelten», heisst es in einer Mitteilung der beiden Organisationen.
Fahrten-Konsum bestimmt Preisstufe
In dem im Frühjahr lancierten und von den beiden Organisationen kritisierten Pilotprojekt «myRide» von Alliance Swisspass bestimmt der Fahrten-Konsum der Kundinnen und Kunden in der Vergangenheit die jeweils aktuelle Preisstufe, den E-Tarif. Billettkäufe sollen bei einer Nutzung des E-Tarifs ganz entfallen.
Laut Alliance Swisspass vereinfacht «myRide» die Tariflandschaft. Ein erster Prototyp des E-Tarifs, bei dem Reisen digital abgerechnet werden, soll ab März 2024 mit der Kundschaft «ausgiebig erprobt» werden, teilte die Tariforganisation am Dienstag mit.
Erste Elemente des E-Tarifs würden frühestens zwei Jahre nach einer erfolgreichen Testphase auf dem Markt angeboten.
Wer regelmässig den ÖV nutze, bezahle so für dieselbe Strecke weniger, als wer seltener im ÖV unterwegs sei. Berechnet würden die Fahrten erst bei der Ankunft am Reiseziel.
Für Konsumentenschutz und VCS sind die ÖV-Preise damit unberechenbar und intransparent. Beim Kauf von Waren oder Dienstleistungen gelte jedoch der Grundsatz der Preisbekanntgabe.
Auch Menschen ohne Swisspass oder Smartphone (z.B. Kinder, ältere Menschen, Menschen mit Beeinträchtigungen, Sanspapiers, Armutsbetroffene oder Touristen) sollten nach Ansicht der beiden Verbände den ÖV auch künftig nutzen können.
Mobilität sei für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zentral und der ÖV spiele dabei eine wichtige Rolle.
Mit Blick auf das Ziel, unnötigen Verkehr zu vermeiden, sieht der VCS den Ansatz des Tarifsystems skeptisch. Häufiges Fahren werde mit sinkenden Billettpreisen belohnt und das kurble die Mobilität auf unerwünschte Weise an.
VCS und Konsumentenschutz kritisieren Datensammlung
VCS und Konsumentenschutz kritisieren ausserdem eine Einschränkung der Wahlfreiheit. Wenn Billette nicht im Vorfeld gekauft würden, müsse ein Zahlungsmittel hinterlegt werden. «Ob jemand Bargeld oder digitale Zahlungsmittel verwendet, soll nicht von der ÖV-Branche durch Einschränkungen des Angebots gesteuert werden», stellte der Konsumentenschutz fest.
Es müsse zudem weiterhin möglich sein, ohne grösseren Aufwand anonym im ÖV unterwegs zu sein.
Die Branche generiere unzählige sensible Daten – Bewegungsprofile, aber auch Adress- und Zahlungsdaten, schreiben VCS und Konsumentenschutz. Um das Risiko in Bezug auf den Datenschutz zu minimieren, müssten Apps datensparsam konzipiert werden und sich am Schutz der Privatsphäre von Nutzern orientieren.
Positive Aspekte neuer Möglichkeiten und Gewohnheiten dürften nicht mit ausufernder Datensammlung oder unberechenbaren Tarifen ins Gegenteil verkehrt werden. Völlig falsch sei es auch, wenn Kundendaten zu Werbezwecken verwendet oder gar verkauft würden.