Vier Personen wegen «Kill Erdogan»-Plakat in Bern vor Gericht
Der Prozess um das «Kill Erdogan»-Plakat, das 2017 zu Protesten der Türkei in der Schweiz führte, hat am Dienstag begonnen.
Das Wichtigste in Kürze
- Vor einem Einzelrichter stehen vier Beschuldigte.
- Mit dem Plakat sollen sie öffentlich zu Verbrechen oder Gewalttätigkeit aufgerufen haben.
Am Regionalgericht Bern-Mittelland hat der Prozess um das «Kill Erdogan»-Plakat begonnen, das 2017 zu Protesten der Türkei in der Schweiz führte. Vor einem Einzelrichter stehen vier Beschuldigte. Ihnen wirft die Staatsanwaltschaft vor, mit dem Plakat öffentlich zu Verbrechen oder Gewalttätigkeit aufgerufen zu haben.
Die vier Beschuldigten sind – im vergangenen Jahr – wegen Widerhandlung gegen diesen Straftatbestand schuldig gesprochen worden. Sie erhielten einen Strafbefehl, wie der Gerichtspräsident am Dienstagmorgen sagte.
Diesen fochten sie an, sodass es zum Prozess kommt. Strafbefehle werden laut der Berner Justiz in Fällen leichterer Delinquenz ausgesprochen. Die maximal möglichen Sanktionen sind Bussen, Geldstrafen bis maximal 180 Tagessätze und Freiheitsstrafen bis zu sechs Monaten.
Plakat löste Proteste der Türkei aus
Das Plakat mit der Aufschrift «Kill Erdogan with his own weapons!» («Töte oder Tötet Erdogan mit seinen eigenen Waffen!») wurde im März 2017 am Rand einer Kundgebung für Demokratie in der Türkei mitgeführt. Dies von einer Gruppe von rund 150 Personen, welche sich beim alternativen Berner Kulturzentrum Reitschule besammelt hatten.
Noch am Tag der Kundgebung protestierte die Türkei beim Aussendepartement EDA in Bern und bestellte in Ankara die Schweizer Vize-Botschafterin ein. Es kam auch zu einem Telefongespräch zwischen den beiden Aussenministern. Die Türkei forderte eine Untersuchung und Erdogan sagte, die Schweiz müsse aufhören, Terrororganisationen zu unterstützen.
Das Unterstützungskomitee hat vor dem Prozess klargemacht, dass die vier Beschuldigten den Prozess wollten: Es gehe ihnen darum, auf dieser öffentlichen Bühne Erdogans Politik anzuprangern, schrieb das Komitee im Vorfeld auf Twitter. Die Öffentlichkeit ist wegen der Coronapandemie vom Prozess ausgeschlossen. Allerdings durften die vier Beschuldigten je drei Vertrauenspersonen in den Saal nehmen, sodass dennoch so etwas wie ein Publikum im Saal besteht.
Strenge Auflagen am Prozess
Für Medienschaffende gelten am Prozess strenge Auflagen: Sie dürfen keine Informationen preisgeben, welche beispielsweise Rückschlüsse auf Geschlecht, Alter und berufliche Tätigkeit sämtlicher am Prozess beteiligten Personen erlauben würden. Gemeint sind – Stand Dienstagmorgen – nicht nur die Beschuldigten, sondern beispielsweise auch Zeuginnen und Zeugen und allfällige Privatkläger. Tun sie es doch, droht den Medienschaffenden eine Anklage wegen Ungehorsams gegen amtliche Verfügungen.
Denis Masmejean von der Organisation «Reporter ohne Grenzen» Schweiz sprach im Vorfeld des Prozesses auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA von «inakzeptablen» Berichterstattungsbedingungen. Auch Urs Thalman vom Berufsverband der Journalistinnen und Journalisten «Impressum» sagt, professionell tätige, im Berufsregister (BR) eingetragene Medienschaffende böten Gewähr, dass der Persönlichkeitsschutz gewährleistet sei. Weitergehende Einschränkungen durch Gerichte als der «Journalistencodex», auf den sich BR-Journalisten verpflichteten, brauche es nicht.
Der Gerichtspräsident sagte am Dienstagmorgen, eventuell würden die strengen Auflagen für Zeugenaussagen gelockert - sofern die Zeugen einverstanden seien. Der Prozess begann am Dienstagmorgen mit der Klärung von Formalitäten und Vorfragen der Rechtsanwälte. Der Gerichtspräsident will das Urteil am Mittwoch bekannt geben.
Vor Prozessbeginn besammelten sich vor dem Sitz des Gerichts, dem Berner Amthaus, etwa 50 Unterstützerinnen und Unterstützer der Beschuldigten. Die Polizei sicherte das Gebäude und schritt laut einem Video der Unterstützer ein, als ein Plakat mit der Aufschrift «Killer Erdogan» gezeigt wurde.