Wegen Coronavirus: So verändert das Homeoffice unser Privatleben
Immer und überall erreichbar sein – dank fortschreitender Digitalisierung und Coronavirus immer öfters der Fall. Dies zum Leidwesen der Work-Life-Balance.
Das Wichtigste in Kürze
- Wenn das Schlafzimmer zum Büro wird, kann das problematisch werden, warnen Experten.
- Das Europäische Parlament möchte eine rechtliche Grundlage für das Abschalten einführen.
- Professor Hartmut Schulze erläutert positive und negative Aspekte des Homeoffice.
Wer kennt dieses Szenario aus dem Homeoffice nicht? Der Laptop ist eigentlich schon runtergefahren, doch auf dem Smartphone leuchtet noch eine Nachricht vom Chef auf. Na gut, man antwortet schnell – und befindet sich kurzerhand wieder bis zum Hals in der Arbeit.
Ein Szenario, das sich aufgrund des Coronavirus und dem Lockdown immer mehr häuft. Die Grenzen zwischen der Arbeit und Privatleben sind nicht mehr klar definiert. Der Arbeitslaptop steht wahlweise auf dem Esstisch, im Schlafzimmer oder neben dem Wickeltisch. Immer mehr Experten warnen: Das ist nicht gut.
Homeoffice hat auch seine Schattenseiten
Hartmut Schulze ist Professor an der Hochschule für Angewandte Psychologie FHNW. Er bestätigt, dass sich ständige Erreichbarkeit schon vor dem Lockdown negativ auf Arbeitnehmer ausgewirkt hat. Verstärkt habe sich dies durch das Coronavirus jedoch nicht drastisch.
«Es ist festzuhalten, dass Homeoffice im ersten Lockdown letztes Jahr ganz überwiegend sehr positiv erlebt wurde», so Schulze. Gleichzeitig würden aber vor allem Familien mit betreuungspflichtigen Kindern, Personen in Ausbildung und Alleinstehende über grössere psychische Belastungen berichten.
Diese Belastung entstehe, erklärt Schulze, durch die Wahrnehmung sozialer Isolation und das «Blending» von Arbeit, Haushalt und Betreuung. «Gerade bei ununterbrochenem Homeoffice ist es wichtig, einen separaten Platz für die Arbeit zu haben.»
Sonst würde einen die Arbeit immer zu «anlachen» und dies sei in Sachen Distanzierung und Erholung nicht förderlich.
«Als Herausforderung hat sich aber die starke Zunahme von Online-Meetings gezeigt. Dies wird als sehr anstrengend gelebt, nicht zuletzt deshalb, da zwischen den Meetings zu wenig Pausen eingeplant werden.» Auch der Charakter des Homeoffice als «Refugium für Stillarbeit» habe sich somit verändert.
Arbeitnehmer müssen wegen Coronavirus mehr selbst regulieren
Für Schulze ist der Zusammenhang zwischen der Erreichbarkeit und einem Burn-out klar ersichtlich: «Hier gibt es einen klaren Zusammenhang, insbesondere wenn die Erreichbarkeit nicht auf freiwilliger Basis erfolgt.» So solle man diese Erreichbarkeit in der Freizeit nur als absolute Ausnahme ansehen.
Schulze empfiehlt Arbeitnehmern, sich mit den Arbeitgebern in Verbindung zu setzen und klare Regeln zu kommunizieren. «Als Erstes sollte man für sich selbst festlegen, wann man arbeitet und wann man Freizeit hat. Und dies sollte man dann mit den Vorgesetzten und den Kolleginnen besprechen.»
Denn eine Trennung von Freizeit und Arbeit sei eine wesentliche Voraussetzung für Erholung. Jedoch sei besonders in Zeiten des Coronavirus mehr Selbstinitiative der Arbeitnehmer gefragt.