Wegen des Coronavirus: Wie schlecht geht es der Jugend finanziell?
Oft wird über Partyentzug als Ursache für den Corona-Frust der Jugend berichtet. Laut einem Sozialwissenschaftler ist aber ein anderer Faktor entscheidend.
Das Wichtigste in Kürze
- Mehrmals ist es in St. Gallen zu Jugend-Krawallen wegen Corona-Massnahmen gekommen.
- Berichtet wird oft über den Frust der Jugend wegen mangelnder Freizeitmöglichkeiten.
- Corona traf die Jungen vor allem auch finanziell – die Situation bessert sich aber.
Die Massnahmen gegen das Coronavirus sorgen unter jungen Menschen für Frust. Kürzlich hat sich die Stimmung bei heftigen Krawallen in der Stadt St. Gallen entladen. Die Berichterstattung dazu fokussiert sich oft über eingeschränkte Freizeitmöglichkeiten, die Jugendliche so verdriessen sollen – das stört einen Experten.
Sozialwissenschaftler Marko Kovic findet, dass sich in den vergangenen Wochen «ein falsches Narrativ» über das Leid der Jugend entfaltet habe. «Natürlich treffen die Pandemie und die Corona-Massnahmen auch die Jungen. Aber das Problem sind nicht fehlende Partys oder fehlende Vorlesungen vor Ort an der Uni», sagt er zu Nau.ch.
Jüngeren Menschen machten vor allem finanzielle Nöte sowie die Zunahme von Konflikten zu Hause zu schaffen, weiss Kovic. Das hätten Untersuchungen zum Coronavirus der Universität Basel von vergangenem Dezember gezeigt.
«Das müssen wir definitiv ernst nehmen und die Probleme lösen. Aber die Jugend ‹leidet› nicht, weil Bars und Clubs geschlossen sind.» Doch wie schlecht steht es tatsächlich um die Finanzen der Jugend? Nau.ch hat nachgefragt.
Mehr Jüngere meldeten sich beim RAV
Ein Blick auf die Zahlen des Staatssekretariats für Wirtschaft SECO zeigt: Vor der Pandemie, im Februar 2020, lag die Arbeitslosenquote der 15- bis 24-Jährigen bei 2,3. Ein Jahr später betrug sie 3,3 Prozent.
Dass die Jugend teilweise finanziell stark unter dem Coronavirus leidet, verdeutlichen die Informationen der Regionalen Arbeitsvermittlungszentren RAV. Lucie Hribal vom Zürcher Amt für Wirtschaft und Arbeit sagt zu Nau.ch: «Junge Erwachsene im Alter von 20 bis 29 Jahren sind seit Beginn der Pandemie besonders von Arbeitslosigkeit betroffen.»
Es sei ein bekanntes Phänomen, dass die Jungen in Krisen rascher ihre Anstellung verlieren als die übrigen Altersgruppen. «Sie sind im Arbeitsmarkt weniger etabliert, kommen aus Ausbildungen, haben weniger Berufserfahrung und arbeiten häufiger in Temporäranstellungen.» Zudem sind sie unter den Beschäftigten in krisenbetroffenen Branchen, wie aktuell dem Gastgewerbe, anteilsmässig stärker vertreten.
Im Vergleich zum Februar 2020 ist die Arbeitslosigkeit der 20 bis 29-Jährigen während der Pandemie markant angestiegen. «Der Anstieg fiel im Vergleich zu allen Arbeitslosen im Kanton Zürich höher aus», so Hribal. Im bevölkerungsreichsten Kanton der Schweiz betrug die Arbeitslosenquoten der 20- bis 24-Jährigen im Februar 2020 2,4 Prozent. Im März 2021 waren es 3,8 Prozent.
RAV-Situation hat sich vielerorts wieder entspannt – trotz Coronavirus
Ähnliches beobachtet der Kanton St. Gallen. Auf die Frage, ob sich wegen des Coronavirus mehr junge Menschen in St. Gallen beim RAV gemeldet haben, sagt die Amtsleiterin des Wirtschaftsdepartements, Karin Jung: «Grundsätzlich ja – allerdings hat sich die Entwicklung im Jahresverlauf weitgehend normalisiert.»
Die Zahl der Stellensuchenden im Alter von 15 bis 24 Jahren habe wegen der Corona-Massnahmen ab März 2020 stark zugenommen.
Auch in Luzern waren junge Menschen im Frühling 2020 besonders häufig von Arbeitslosigkeit betroffen. Das weiss Karin Lewis, Bereichsleiterin Arbeitsmarkt des Amts für Wirtschaft und Soziales.
Sie berichtet auch über Jugendliche, die ihre Reisen oder Auslandaufenthalte vorzeitig abbrechen mussten und sich zu Hause arbeitslos gemeldet haben. Im März 2021 habe sich die Situation dann wieder entspannt.
Junge in Graubünden und Basel-Stadt weniger stark betroffen
In Graubünden hat die Arbeitslosigkeit seit Beginn der Krise mit dem Coronavirus ebenfalls zugenommen. Dadurch hätten sich auch mehr Junge beim RAV gemeldet, so Gian Reto Caduff vom Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit. «Jugendliche und junge Erwachsene sind jedoch eher unterproportional von dieser Zunahme betroffen.»
Auch im Kanton Basel-Stadt sind die Jungen nicht auffallend stark von Arbeitslosigkeit betroffen. 2020 waren zwar rund 80 junge Personen mehr beim RAV gemeldet als im Vorjahr. «Im Vergleich mit allen anderen Personengruppen ist die Zunahme jedoch geringer ausgefallen», sagt Wirtschaftamtsleiterin Nicole Hostettler.