Weniger Fleisch: Kritik an neuer Lebensmittelpyramide des Bundes
Die neuen Ernährungsrichtlinien des Bundes empfehlen deutlich weniger Fleisch als die Schweiz durchschnittlich isst. Ist das ein gesundes Mass?
Das Wichtigste in Kürze
- Der Bund hat nach 13 Jahren eine neue Schweizer Lebensmittelpyramide veröffentlicht.
- Weniger Fleisch, dafür mehr frisches Obst und Gemüse sind angesagt.
- Die Schweizer Bevölkerung konsumiert aktuell mehr Fleisch als empfohlen.
Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) und die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung (SGE) haben ihre neuen Ernährungsrichtlinien veröffentlicht.
Die Empfehlungen sind klar: Täglich frisches Obst und Gemüse essen, Wasser trinken und Fleisch nur zwei- bis dreimal pro Woche konsumieren.
Diese Richtlinien sind eine Aktualisierung der seit 2011 unveränderten Schweizer Lebensmittelpyramide. Sie basieren auf neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen – und berücksichtigen nun auch ökologische Aspekte.
Damit folgt die Schweiz einem internationalen Trend zur nachhaltigen Ernährung, obwohl dies nicht traditionell zu den Aufgaben von Ernährungsempfehlungen gehört.
Fleischkonsum soll verringert werden
Die Empfehlungen für den Fleischkonsum wurden ebenfalls angepasst. Neu wird empfohlen, pro Woche maximal zwei bis drei Portionen Fleisch zu essen. Eine Portion entspricht dabei 100 bis 120 Gramm Fleisch.
Dies ist eine klarere Formulierung als die bisherige Empfehlung: «Konsumieren Sie Fleisch massvoll – im Bewusstsein, dass zwei bis drei Portionen Fleisch (inklusive Geflügel und Fleischerzeugnissen) pro Woche genügen.»
Laut dem Agrarbericht lag der Fleischkonsum 2022 aber auf rund 50 Kilo Fleisch pro Kopf. Also mehr als doppelt so viel als vom Bund empfohlen.
Bio-Metzger: «Fleisch ist nicht gleich Fleisch»
Kritik an der neuen Empfehlung kommt jetzt von Jonas Furer-Junker von der Bio-Metzgerei «La Boulotte» in Bern. Er sagt, dass seine Metzgerei für nachhaltigen, regionalen und bewussten Fleischkonsum stehe. Aber gerade aus ökologischer Sicht sei es «nicht egal, ob man industriell verarbeitetes Fleisch vom Grossverteiler oder regionales Bio-Fleisch von der Quartier-Metzgerei bezieht.»
Dies sieht Furer-Junker nicht in den Empfehlungen des Bundes berücksichtigt. Er vermutet, dass auch für die Gesundheit «Fleisch eben nicht gleich Fleisch ist». Für ihn sollte dieser Umstand ebenfalls in die Mengenempfehlung einfliessen.
«Gibt keinen Grund, empfohlene Menge an Fleischkonsum zu verringern»
Auch die Branchenorganisation der Schweizer Fleischwirtschaft Proviande steht den neuen Ernährungsempfehlungen des Bundes kritisch gegenüber. Der Fleisch-Anteil wird «stark abgewertet», schreibt er in einer Medienmitteilung. Proviande stimme den neuen Ernährungsempfehlungen deshalb nicht zu.
«Es gibt keinen Grund, die empfohlene Menge an Fleischkonsum zu verringern», schreibt die Organisation. «Denn es liegt keine wissenschaftliche Evidenz vor, dass Fleisch, so wie es mengenmässig heute in der Schweiz verzehrt wird, negative Auswirkungen auf die Gesundheit hat.»
Zudem sei auch der Umwelt nicht geholfen, wenn mehr Pflanzen und weniger tierische Lebensmittel gegessen werden.
«Doch», findet Christine Brombach, die an der ZHAW der Forschungsgruppe für Lebensmittel-Sensorik angehört. «Eine stärker pflanzenbetonte Ernährung, wie sie jetzt in den neuen Empfehlungen aufgegriffen wird, bietet Vorteile für Gesundheit und Umwelt.»
Für Brombach machen die neuen Ernährungsempfehlungen des Bundes deshalb absolut Sinn. «Da das Agro-Foodsystem, also das, was wir essen (und zuvor produziert wird) einen enormen Einfluss auf unsere Umwelt hat und rund ein Drittel der klimaschädlichen Emissionen verursacht, ist es notwendig, Gesundheit und Nachhaltigkeitsaspekte zusammen zu betrachten», erklärt sie.
«Da liegt es nahe, dass auch die Ernährungsempfehlungen entsprechend angepasst werden müssen.»
Diese seien auf wissenschaftliche Erkenntnisse abgestützt und würden in die gleiche Richtung gehen wie viele europäische Ernährungsempfehlungen.