Wenn das eigene Kind operiert wird

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Zürich,

Ein Erfahrungsbericht aus dem Spital - so fühlt man sich als Mutter wenn das eigene Kind tagelang im Krankenhaus liegt.

Was die Familie vor OP alles zu Organisieren hat:

-Wie kommt man ins Spital? Eventuell jemanden organisieren, der einen fahren kann. Denn der Parkplatz kostet und auch wenn man als Eltern Vergünstigung beim Parkplatz bekommt, günstig ist es dann bei mehreren Tagen bei weitem nicht.

-Wer ist tagsüber wann beim Kind im Spital und übernimmt die Betreuung? Ein zweijähriges Kinde empfehle ich nicht allein im Zimmer zu lassen. Das Kind braucht die Nähe der Eltern oder einer anderen engen Bezugsperson. Eine Mutter oder der Vater kann nicht den ganzen Tag im Vierbettzimmer sein und auf einem Holzstuhl sitzen. Das ist das Einzige, was den Eltern angeboten wird, denn das Klappbett darf nur abends zum Schlafen wieder aufgestellt werden. Jeder möchte und muss mal frische Luft schnappen, schlafen oder duschen oder sei es einfach nur ein Tapetenwechsel. Denn ganz ehrlich, hier fällt einem schnell die Decke auf den Kopf.

-Wer übernachtet beim Kind im Spital? Ja, das ist erlaubt und das wissen viele nicht. Es gibt Ausnahmen, zum Beispiel wenn das Kind auf der Intensivstation liegt, dann darf man nicht beim Kind im Zimmer übernachten, aber es werden Alternativen angeboten.

-Wer übernimmt die Betreuung der Geschwister? Dieses Mal hat mein Mann Sommerferien, da ist es etwas einfacher, aber die letzten beiden Male musste er arbeiten. Wir mussten Grosseltern und Freunde einspannen, damit die Schwester ganztägig betreut oder in die Kita gebracht und wieder abgeholt wurde. Aber auch jetzt gilt: Ohne Grosseltern und Freunde geht nichts.

-Wer geht einkaufen, macht die Wäsche und sorgt für den Haushalt? Das finde ich zwar zweitrangig, dennoch muss es organisiert werden, dass der Haushalt nicht in einem Chaos endet. Auch das Restaurant im Spital ist nicht günstig, wo man sich notfalls sonst «verköstigen» kann. Ich als Mutter muss für mein Essen selber aufkommen, lediglich Wasser wird mir zur Verfügung gestellt.

Das Wichtigste in Kürze

  • Was vor einer Operation alles beachtet werden muss.
  • An was die betroffene Familie während eines Spitalaufenthaltes alles denken und organisieren muss.
  • Tipps wie man betroffene Familien unterstützen kann.

-Wer löst die Mutter im Spital ab, damit sie einen kurzen Tapetenwechsel bekommt?

Wenn das eigene Kind operiert werden muss, dann bricht für viele Eltern erstmals eine kleine Welt zusammen. Man fragt sich, wieso muss das genau uns passieren.

-Wer holt einem am Ende aus dem Spital wieder ab?

Wir gehören dazu. Unser Kind musste operiert werden. Nicht einmal, nicht zweimal sondern mit ihren 2.5 Jahren bereits dreimal. Nichts Schlimmes und auch nichts Lebensgefährliches, aber trotzdem, es ging nicht ohne diese operativen Eingriffe, zu oft war sie andauernd krank, hatte Schmerzen und hat gelitten.

Der Brief als Belastung

Anfangs bin ich ziemlich offen mit dem «Schicksal» unserer Tochter umgegangen und habe schnell mal davon in unserem Umfeld erzählt. Wieso? Weil es mich als Mutter stark belastet hat und es mir geholfen hat, darüber zu sprechen. Vor allem ab dann, wenn man den Brief mit dem OP- Termin in den Händen hält und in den Tagen kurz vor der OP. Da musste ich mich arg zusammenreissen und trotzdem konnte ich meine Tränen nicht immer zurückhalten, zu stark hat es mich belastet.

Was eine OP und ein längerer Spitalaufenthalt des eigenen Kindes für eine Mutter, einen Vater aber auch für eine Schwester bedeutet, können aus eigener Erfahrung wohl nur die wenigsten Menschen nachvollziehen und verstehen. Auch Verständnis was im Vorfeld einer OP oder dann danach alles beachtet oder organisiert werden muss, dass verstehen die wenigsten - ausser man macht ähnliches durch. Und genau darüber möchte ich heute berichten:

Doch dann wurde ich vorsichtiger mit erzählen. Es ist traurig, das sagen zu müssen, aber ich musste feststellen, dass das eigene Umfeld es zum Mittel und zum Zweck benutzt, um den neusten Klatsch weiter zu erzählen. Es interessiert die Leute ehrlich gesagt ziemlich wenig, wie es dem Kind, der Schwester und vor allem uns als Eltern während dieser Zeit dabei ergeht und was wir dabei durchmachen müssen. Vermutlich ist jeder froh, nicht in unserer Situation stecken zu müssen.

Der Tag der OP

Wenn es dann endlich soweit ist und man das Kind in den OP begleiten „darf“, ist es gefühlt der längste Tag, das kann ich Euch garantieren. Auch wenn die OP also solches bei uns jedes Mal maximal zwei Stunden dauerte, vergehen im Durchschnitt (jetzt in unserem Fall) 4-6 Stunden, bis man sein Kind, angeschlossen an Schläuchen und ganz benommen und schlafend, wieder sieht. In der Zeit können die Eltern machen was sie wollen, aber es wird erwünscht in der Nähe des Spitals zu bleiben. Und ganz ehrlich, ich wüsste nicht, wohin wir uns sonst begeben sollten. Man möchte so nahe wie möglich bei seinem Kind sein, auch wenn uns viele Stockwerke, Gänge und Türen voneinander trennen.

In der Zeit fühlt man sich einfach nur alleine. Sprechen mag man nicht gross und trotzdem wäre es schön, jemanden bei sich zu haben, damit das Warten erträglicher wird. Mit den Gedanken ist man beim Kind. Geht es ihr hoffentlich gut? Leisten die Ärzte gute Arbeit? Einfach nur hoffen, dass alles vorbei ist und der Anruf kommt, das Kind liegt jetzt im Aufwachraum und dass wir zu ihr dürfen. Bilder, die einem nicht so schnell aus dem Kopf gehen.

Auch danach, zurück auf der Station, sind es Bilder, die vergisst man nicht. Angeschlossen an Schläuchen, verklebt von Pflastern und sonstigen Merkmalen, die an die OP erinnern. Der Kampf, den sie hat, essen und trinken zu wollen, es aber einfach nicht geht, weil sie noch zu schwach ist. Man sieht ihr an, dass sie Schmerzen hat, dass sie sich hilflos fühlt und dass sie kämpft. Nicht nur Bilder vom eigenen Kind, sondern auch Bilder der anderen kleinen Patienten im selben Vier-Bett Zimmer. Auch die grosse Schwester hat beim ersten Mal, erschrocken wegen des Zustands der kleinen Schwester, angefangen zu weinen und Schutz in meinen Armen gesucht. Da wird man dann als Mutter gerade doppelt gefordert.

Die Tage im Spital

Die Tage im Spital sind langweilig und lang. In unserem Fall durfte unsere Tochter nur liegen und sitzen, aber nicht laufen. Eine Herausforderung für Kind und für mich als Mutter. Ausser den Mann und die ältere Tochter, die Grosseltern und das Pflegepersonal und die Ärzte bekamen wir keinen Besuch.

Aber wieso eigentlich nicht? Hat ein Kind nicht auch Anrecht auf Besuch? Erlaubt ist es, sofern der Besuch gesund und das Kind den Umständen entsprechend munter ist. Geht man nur Erwachsene und grössere Kinder im Spital besuchen, aber keine zweijährigen? Freut sich ein Kind nicht auch über ein ihr bekanntes und vertrautes Gesicht und vergisst dafür für einen kleinen Moment die eigenen Wehwehchen. Nicht nur das Kind, auch die Mutter freut sich über Besuch, dann könnte man vielleicht in der Cafeteria sich einen gemeinsamen Kaffee gönnen und auf andere Gedanken kommen, sich etwas ablenken und den Tag verkürzen. Bei einer Geburt werden manche Mütter teils regelrecht vom Besuch überrannt, aber wieso kommt man nicht auf die Idee, ein kleines Kind zu besuchen, welches frisch operiert wurde?

Mit Buggy und Infusion auf Beschäftigungs-Tour

Unser Tag begann morgens um 8 Uhr (oder noch früher), wenn die ersten Ärzte zur Visite kommen und endete abends gegen 20 Uhr wieder, wenn sie schlafen ging. Dazwischen wandern wir den Spitalgang auf und ab und versuchten uns abzulenken. Sie entspannt sitzend im Buggy und ich kämpfend mit der Infusion, die ich gleichzeitig mit dem Buggy ebenfalls noch schieben muss. Wir kennen mittlerweile wohl jeden Stock und jede Ecke im Spital.

Es gibt Spielecken und Spielzimmer die wir nutzen können, aber auch hier, das Angebot hält sich in Grenzen. Und wenn wir nicht im Gang hin und her laufen, dann eine Runde draussen an der frischen Luft, aber nur um das Spitalareal, weiter dürfen wir nicht. Den Rest des Tages sitzen wir auf dem Zimmer, sie im Bett und ich stehe daneben und versuche sie so gut es geht zu bespassen. Aussagen wie, «jetzt hast du ja etwas Zeit zum Lesen» oder «jetzt kannst du ja Bewerbungen schreiben, du hast ja Zeit» lösen bei mir nur Kopfschütteln aus. Weit gefehlt, für mich ist keine Zeit.

Schlafen konnte ich auf einem Klappbett im Zimmer neben meiner Tochter, zusammen mit noch drei anderen Müttern und ihren Kindern. Duschen und sich frisch machen ist auf den Toiletten auf dem Gang möglich. Als Mutter bekommt man lediglich Wasser offeriert, für das Essen muss man selber aufkommen. Unsere stationären Aufenthalte dauerten in der Regel zwischen fünf bis zwölf Tagen.

Mit diesem Beitrag möchte ich niemanden ein schlechtes Gewissen machen, sondern viel mehr dazu anregen und Euch die Augen öffnen, wie man sich als Mutter fühlt, sein Kind in den OP zu begleiten und wie die Tage danach im Spital sind und dass das bei weitem keine einfache Situation für alle ist. Auch erwarte ich kein Mitleid für unsere Situation, sondern möchte lediglich zum Denken anregen. Die Erfahrungen und die Gespräche mit anderen Betroffen zeigen, dass es nicht nur uns so ergeht.

Daher ein persönlicher Tipp, für den Fall, das bei Euch im Umfeld in absehbarer Zeit eine OP bei einem Kind mit längerem Spitalaufenthalt ansteht:

-Vergisst den OP Tag nicht und teilt Anteilnahme mit, schreibt eine nette SMS.

-Bietet Hilfe für die Geschwister an. Aber nicht einfach nur anbieten, sondern konkret sagen, wann ihr auf das Kind aufpassen könnt.

-Fragen, ob ihr das Kind und die Mutter besuchen dürft. Aber nicht einfach unangemeldet aufkreuzen und vor allem Besuchszeiten beachten.

-Eventuell mal eine halbe Stunde bis Stunde beim Kind bleiben, damit sich die Mutter frisch machen kann oder mal an die frische Luft kommt.

-Mutter auf einen Kaffee ausserhalb des Spitals treffen, sofern jemand anderes beim Kind sein kann. Ein Tapetenwechsel tut immer gut.

-Oder einfach mal anrufen und etwas quatschen.

Zum Schluss möchte ich noch «Danke» sagen an alle, die an mich/uns und unsere Tochter gedacht haben und uns in dieser nicht ganz einfachen Zeit unterstützen.

Jetzt, einige Monate später wissen wir, unsere Tochter gilt als geheilt. Jährliche Kontrollen bleiben bestehen.

Und ein ein grosses Dankeschön an die Ärzte und das Pflegepersonal vom Universität-Kinderspital Zürich für die gute Arbeit, die Betreuung und dass man immer versucht hat, uns den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen.

Eure Claudia

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