Werkschau im Ausnahmemodus: digitale Plattform für Schreibende
Die Solothurner Literaturtage sind in diesem Jahr anders. Das Festival findet digital statt. Die Überlegungen der Verantwortlichen erläutert der designierte Geschäftsführer Dani Landolf.
Das Wichtigste in Kürze
- Das Auffahrtswochenende ist das Datum, das Leserinnen, Bücherfreunde, Autorinnen und Literaturprofis in ihrer Agenda rot anstreichen: Dann stehen die Solothurner Literaturtage an.
Das ist auch dieses Jahr so. Allerdings werden in vielen Agenden bereits die Tage vorher rot markiert sein. Denn das Festival beginnt schon heute.
Die Webseite der Solothurner Literaturtage wird ab heute mit einem sogenannten Logbuch bespielt. Die von der Programmkommission eingeladenen Autoren und Übersetzerinnen bekommen hier eine digitale Spielwiese. Sie stellen sich mit ihren Büchern vor, publizieren eigens geschriebene Texte oder präsentieren sich mit einem schriftlichen Dialog. «Das soll eine grosse Plattform für Bücher, Autorinnen und Autoren sowie den Buchhandel sein», sagt Dani Landolf im Gespräch mit Keystone-SDA.
Die eigentlichen 42. Solothurner Literaturtage werden am Auffahrtswochenende eine digitale Bühne erhalten, dieses Jahr allerdings um einen Tag verkürzt. «Ab dann soll es ein Live-Event werden, wo beispielsweise im neuen Club+ Schreibende mit einer kleinen Gruppe Leserinnen und Leser über ihre Bücher diskutieren», so Landolf. Erstmals wird der Schweizer Kinder- und Jugendbuchpreis verliehen (am 23. Mai), Podien, Diskussionsrunden und Gespräche sind vorgesehen. «Das interaktive Moment steht im Vordergrund.»
Doch kann diese Form des Ablaufs das Flanieren an der Aare, den direkten Austausch oder die abendlichen feuchtfröhlichen Runden ersetzen - das, was die Solothurner Literaturtage eigentlich ausmacht? «Nein, kann es nicht», räumt Landolf ein. Viele Bereiche der Kultur, und damit auch Literaturfestivals, «leben von der physischen Gemeinschaft, brauchen den direkten Austausch, die Begegnung».
Ohne die Restriktionen wegen der Covid19-Pandemie «würden die Literaturtage nicht online stattfinden», sagt Landolf und führt zwei Gründe an, die trotzdem dazu geführt haben. Neue Bücher seien in diesem Jahr kaum wahrgenommen worden; deshalb solle die Plattform nun Autorinnen und Autoren mit ihren Werken sichtbar machen.
Und: Weil sämtliche Lesungen abgesagt worden sind, haben Schreibende kaum mehr etwas verdient. «Wir können nun wenigstens die Honorare für die Online-Auftritte bezahlen.»
Dabei sieht die Rechnung der Solothurner Literaturtage 2020 anders aus als in den Vorjahren: Für das Publikum sind die Veranstaltungen im Netz allesamt gratis; das Budget insgesamt ist kleiner, weil die Kosten für die Anreise und die Unterbringung der geladenen Autorinnen wegfallen; die Geldgeber, wie die Stadt und der Kanton Solothurn als auch die privaten Sponsoren «sind grosszügig», so Landolf. Unter dem Strich sei eine schwarze Null budgetiert.
Landolf räumt ein, diese Art des digitalen Literaturfestivals sei «ein Experiment». Auch wenn er sich überzeugt gibt vom Konzept und die «hohe Qualität» lobt, macht er sich zu den Reaktionen des Publikums «keine Illusionen»: «Ich denke, wir werden die knapp 18'000 Eintritten aus dem Vorjahr wohl nicht erreichen.»
Und noch etwas ist an den diesjährigen Solothurner Literaturtagen anders: Es wir die letzte Ausgabe sein, die Reina Gehrig als Geschäftsführerin mit der Programmkommission verantwortet.
Ihre Funktion übernimmt ab 1. August Dani Landolf. Seine ersten Eindrücke aus dem Inneren der Solothurner Literaturtage, nachdem er noch im letzten Jahr als Vertreter des Schweizer Buchhändler- und Verleger-Verbandes auf einem Podium gesessen hat? Es sei ihm «noch deutlicher» geworden, dass die Literaturtage «nicht irgendein Festival sind, sondern als Werkschau mit hoher Identifikationskraft» für die ganze Schweiz von Bedeutung seien.
literatur-online.ch