WG-Zimmer-Frust: «Habe mich schon 16 Mal beworben – nichts!»

Rowena Goebel
Rowena Goebel

Chur,

Wohnraum ist knapp. Besonders für Personen ohne dickes Portemonnaie – unter anderem Studierende. Auch lange Pendelstrecken sind für sie teurer geworden.

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Jährlich sind laut ZKB knapp 30'000 Personen von Entmietungen betroffen. (Symbolbild) - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Studierende haben aktuell grosse Mühe, eine Bleibe zu finden.
  • Einige pendeln deshalb lange Strecken oder mieten gar ein Airbnb.
  • Sie fordern Massnahmen – es brauche mehr bezahlbaren Wohnraum.

Selma Gurtner* (23) startet im Herbst ein Studium an der Fachhochschule Graubünden FHGR. Weil sie in der Region Bern wohnt, ist klar, dass sie ein WG-Zimmer in Chur mieten will. Ihr Weg von Tür zu Tür würde ansonsten über drei Stunden dauern – zweimal pro Tag.

Schon im Frühling beginnt sie mit der Suche. Doch es folgt Enttäuschung auf Enttäuschung: «Schnell merkte ich, dass die Zimmer in der Region enorm gefragt sind», erzählt sie Nau.ch.

Manchmal erhält sie direkt eine Absage oder gar keine Antwort. «Nach der zehnten Absage wurde es langsam frustrierend.» Immer wieder muss Gurtner ins Bündnerland reisen und WGs besichtigen, immer wieder erfolglos.

«Inzwischen habe ich mich schon 16 Mal beworben – nichts!»

Problem verschärft sich

Mit schlechten ersten Eindrücken dürften die vielen Absagen nichts zu tun haben. Denn die Bernerin ist mit ihrem Frust alles andere als allein: Der FHGR ist «selbstverständlich bekannt», dass günstiger Wohnraum vor Ort Mangelware ist, wie Rektor Jürg Kessler zu Nau.ch sagt.

Das zeigt auch eine Umfrage, die die Hochschule unter Studierenden durchgeführt hat. Kessler betont: «Wir sind gemeinsam mit der Politik auf der Suche nach Lösungen.» Doch die seien nicht schnell aus dem Boden gestampft.

WG-Mangel ist ein gesamtschweizerisches Problem. «Wir nehmen wahr, dass es sich tatsächlich verschärft», sagt Nadège Widmer, Co-Präsidentin des Studierendenverbands VSS, zu Nau.ch. Die Wohnsituation sei inzwischen gar eine der Hauptsorgen der Studis.

Einige pendeln Megastrecken – doch auch das ist teuer

Am meisten Mühe haben Studierende nach den Informationen des VSS dort, wo allgemein Wohnungsnot herrscht. Heisst: «Teure Städte wie Genf oder Zürich.»

Doch die Mietpreise sind überall gestiegen. «Diese Entwicklung bereitet dem VSS grosse Sorgen», betont die Co-Präsidentin des Verbands.

Teilweise müssen Studis erfinderisch werden, weil sie keine Bleibe finden, weiss Julia Bogdan. Sie ist Präsidentin des ETH-Studierendenverbands VSETH.

«Einige Studierende in Genf, so wurde uns berichtet, sind schon in Airbnbs gezogen als Übergangslösung zum Studiumsbeginn. Ähnliches haben wir auch von anderen Regionen gehört», sagt sie zu Nau.ch.

Ein vergünstigtes GA für Studierende ab 26 – sollte die SBB das wieder einführen?

Damit nicht genug: «Uns sind Fälle bekannt, in denen Studierende während mehr als einem Jahr aus entfernten Gemeinden gependelt sind.»

Doch selbst dafür muss man mittlerweile tief ins Portemonnaie greifen. «Seit der Abschaffung des Studi-GAs sind lange Pendelstrecken teilweise nicht mehr finanzierbar», sagt Widmer vom VSS.

Heisst: Vollzeitstudierende ab 26 Jahren zahlen den vollen Preis für ein GA – trotz Mini- oder gar keinem Lohn. Satte 3995 Franken also. «Das kann sie in Bedrängnis bringen», warnt sie.

Internationale Studis kämpfen am meisten

Die Erfahrung von Sandro Arnet, Vorstand der Studierendenschaft der Uni Bern, zeigt zudem: «Am schlimmsten ist die Situation für internationale Studierende, die vielleicht nur ein Semester in Bern verbringen.»

Insgesamt hätten in Bern ein Viertel Mühe bei der Wohnungssuche, bei Studierenden aus dem Ausland seien es sogar 59 Prozent.

Studenten
Für Studierende hat sich das Problem mit der Wohnraumknappheit noch verschärft. (Archivbild) - keystone

Denn: «Meist suchen sie ein Zimmer im Wohnheim, weil eine WG für ein Semester sehr schwierig zu finden ist. Dort ist der Platz noch begrenzter.»

Studis fordern Massnahmen

Deshalb verlangen die Studiverbände jetzt Massnahmen: «Die Kantone wären gefordert, mit einer aktiven Wohnbaupolitik für mehr bezahlbaren Wohnraum zu sorgen», sagt Widmer.

«Auch vom Bund fordern wir, dass er einen Fonds schafft, der solche Projekte unterstützt.» Im Moment passiere mit den Mietrechtsreferenden, über die wir im November abstimmen, das Gegenteil.

Würden sie angenommen, würde das die Situation weiter verschärfen, warnt Widmer. «So würde die Untermiete erschwert. Zudem würde es möglich werden, Untermieten, die länger als zwei Jahre dauern, ohne Begründung zu verweigern.»

Betrifft dich der Wohnungsmangel direkt?

Dabei wäre es wichtig, WGs zu fördern, betont Sandro Arnet von der Berner Studierendenschaft: «WGs sind effizienter, als wenn Einzelpersonen oder Pärli in einer Wohnung leben. Mehr Personen pro Wohnung – das entlastet die Wohnraumkrise und ist besser für die Umwelt

Eine gute Nachricht zum Schluss: Die 17. Bewerbung von Selma Gurtner ist erfolgreich. «Es war ein Riesenaufwand, aber jetzt hat es endlich geklappt», jubelt sie.

* Name von der Redaktion geändert.

Kommentare

User #6560 (nicht angemeldet)

Naja. Irgendwann gibt es ausser Fernstudium keine besseren Alternativen mehr. Die Leute müssen eine Bleibe haben. Wenn sie die nicht haben MÜSSEN andere Lösungen her, auch wenn das den Schulen und den Unis nicht gefällt oder nicht passt. Es kommt so wie es muss.

User #2569 (nicht angemeldet)

Musst halt ein wenig nett sein

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