«Zumutung»: Berner Fünf-Stern-Hotel geizt bei Vegi-Menü
Das Fünf-Stern-Hotel Bellevue in Bern ist für kulinarische Highlights bekannt. Ein Gast klagt nun über die Vegi-Optionen. Jetzt zieht das Hotel Konsequenzen.
Das Wichtigste in Kürze
- Ein Gast kritisiert das Berner Fünf-Stern-Hotel Bellevue für sein mageres Vegi-Menü.
- Auch Vegi-Papst Rolf Hiltl bemängelt die unglückliche Zusammenstellung des Gerichts.
- Das Hotel entschuldigt sich – und verspricht Verbesserung bei vegetarischen Optionen.
Ob Charlie Chaplin (†88), Queen Elizabeth (†94) oder Fidel Castro (†90): Sie alle nächtigten im Bellevue Palace Grand Hotel in Bern – gleich neben dem Bundeshaus. Das Fünf-Stern-Hotel ist das offizielle Gästehaus der Regierung.
Neben der Beherbergung von Staatsgästen ist das Luxushotel wegen seiner zentralen Lage auch ein beliebter Veranstaltungsort – inklusive erstklassiger Gastronomie.
Doch wer kein Fleisch isst, muss sich mit Beilagen begnügen.
Gast nennt Vegi-Menü «Frechheit»
So zumindest ist es Nau.ch-Leserin Renate A.* (73) kürzlich bei einem Weihnachts-Anlass ergangen. Sie berichtet: «Dieses Menü war die Krönung von einem ganz miesen vegetarischen Essen in meiner über 30-jährigen vegetarischen Zeit.»
Nach einer dünnen Kürbissuppe zur Vorspeise, folgte mit der Hauptspeise die grosse Vegi-Enttäuschung. Im Zentrum des Tellers stand ein halber, gratinierter Blumenkohl. Dazu gab es zwei Bratkartoffeln und verschiedene «Sösseli».
Als «Zumutung» und «Frechheit» bezeichnet sie das Menü für 70 Franken. Gleichzeitig erhielten die anderen Gäste ein Stück Fleisch serviert.
Nicht nur sei das gratinierte Gemüse kein angemessener Ersatz für das Fleisch. «Viele Menschen verdauen Blumenkohl sehr schlecht im Darm», so Renate.
Nau.ch hat für eine Einschätzung des Menüs bei Vegi-Papst Rolf Hiltl (59) nachgefragt.
Sein Urgrossvater eröffnete 1898 das erste vegetarische Restaurant der Welt. Heute besitzt Hiltl insgesamt sechs Vegi-Restaurants in Zürich und ist zudem mit 50 Prozent an der Vegi-Kette Tibits beteiligt.
Vegi-Papst: «Man darf Vegis nicht mit Beilagen abspeisen»
«Der Teller ist in der Tat unglücklich», bestätigt Hiltl auf Anfrage von Nau.ch. «Gratin und Bratkartoffeln zusammen auf dem Teller – das geht nicht.»
Dass Blumenkohl als Ersatz für Fleischstücke, also als sogenanntes «Grosse Pièce» verwendet wird, sei grundsätzlich zwar kein No-Go.
Aber: «In diesem Fall sieht alles braun aus.»
Er meint: «Mit einem Stück Rande oder Kürbis oder etwas Grünem hätte man eine andere Farbe reingebracht.»
Hiltl ergänzt: «So wirkt es, als hätte man zwei Beilagen aufgetischt. Man darf aber Vegis nicht mit Beilagen abspeisen!», betont er.
Dass der Gast bei einem solchen Menü enttäuscht ist, kann er nachvollziehen.
Und er erklärt: «Die Küche des Bellevues ist französisch angehaucht und daher fleischlastig. Bei diesem Bankett waren die Vegetarierinnen und Vegetarier wohl stark in der Minderheit. Man wusste wohl nicht, was man ihnen statt Fleisch auftischen soll.»
«Kochlehre stark auf Fisch und Fleisch ausgerichtet»
«Einerseits muss man bedenken, dass die Kochlehre noch immer stark auf Fisch und Fleisch ausgelegt ist. Und das Bellevue hat sich in der Vergangenheit mehrfach an die vegane Küche herangewagt.»
Und er sagt versöhnlich: «Die Bratkartoffeln und die Saucen sehen gut aus. Mir persönlich würde das Gericht vermutlich schmecken.»
Und was sagt das Bellevue Palace zur Kritik?
Das Hotel-Team sagt zu Nau.ch: «Der Gast hat absolut recht. Leider ist uns hier ein Fehler unterlaufen und die vegetarische Menüauswahl an diesem Tag entsprach nicht unseren Standards.»
Bellevue Palace: «Vegetarisches Gericht muss ebenbürtig sein»
Man stehe bereits mit dem Organisator des Anlasses in Kontakt, um den Vorfall aufzuarbeiten. Man wolle sicherstellen, dass so etwas nicht erneut passiert. «Unser Ziel ist es, allen Gästen ein erstklassiges kulinarisches Erlebnis zu bieten.»
Ein Blumenkohl sei nicht direkt mit einem Stück Fleisch vergleichbar, sagt das Hotel-Team. «Dennoch muss ein vegetarisches oder veganes Gericht in Qualität und Raffinesse einem Fleisch- oder Fischgericht ebenbürtig sein.» An diesem Anspruch arbeite man kontinuierlich.
Man spüre den wachsenden Trend, weniger Fleisch zu konsumieren. Auch die Nachfrage nach laktose- und glutenfreien Gerichten steige. «Diese Entwicklungen fordern uns dazu auf, unser Angebot stetig weiterzuentwickeln», sagt das Hotel-Team.
* Name von der Redaktion geändert