Medikamenten-Versandhandel - Verteidigung fordert Freisprüche
Das Wichtigste in Kürze
- Zur Rose soll in den Jahren 2011 bis 2015 Medikamente auf Bestellung an Kunden versandt haben, ohne die gemäss Heilmittelgesetz vorgeschriebene ärztliche Verschreibung korrekt durchgeführt zu haben.
Laut Anklageschrift geht es um etwa 143'000 Bestellungen im Umfang von total mindestens 7,15 Millionen Franken.
Auch mit der Auszahlung von Vergütungen an Ärzte soll Zur Rose gegen das Heilmittelgesetz verstossen haben. Laut Anklage erhielten in den Jahren 2010 bis 2014 rund 6400 Ärzte insgesamt über acht Millionen Franken an solchen Entschädigungen.
Der CEO der Frauenfelder Versandapotheke ist auch noch wegen mehrfacher Widerhandlungen gegen das Bundesgesetz über den unlauteren Wettbewerb angeklagt. Der Prozess geht auf mehrere Strafanzeigen des Schweizerischen Apothekerverbands PharmaSuisse zurück. Die Staatsanwaltschaft hatte Anfang Dezember 2020 Schuldsprüche gefordert, aber noch keine Strafanträge gestellt, weil das Verfahren zweigeteilt wurde.
Der Verteidiger des CEO zitierte am Dienstag die Staatsanwaltschaft. Es gehe primär um einen «Wirtschaftskrieg zwischen dem Apothekerverband und Zur Rose» und nicht um Fragen der öffentlichen Gesundheit, wie die Privatklägerin PharmaSuisse zu suggerieren versuche.
Die Vielzahl an gegen Zur Rose in verschiedenen Kantonen angestrengten Verfahren der vergangenen zehn Jahre würden belegen, dass die Rechtslage in den Anklagepunkten lange Zeit alles andere als klar gewesen sei.
Dass die medizinischen Abklärungen beim Versandhandel mit nicht-rezeptpflichtigen Medikamenten ungenügend und damit widerrechtlich waren, sei vom Bundesgericht erst 2015 abschliessend beurteilt worden. Zuvor hätten sämtliche kantonalen Behörden und Gerichtsinstanzen die Rechtmässigkeit des Versandhandels jeweils bestätigt, weshalb die Geschäftspraxis von Zur Rose im Nachhinein nicht mehr geahndet werden dürfe.
Sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen, sei nicht per se unlauter, sondern gehöre schlicht zum Wesen der Wirtschaft. Unlauter sei es dann, wenn Kunden über wichtige Informationen im unklaren gelassen oder sogar falsch informiert würden. Dafür hätten weder die Staatsanwaltschaft noch die PharmaSuisse stichhaltige Beweise vorlegen können.
Auch im zweiten Anklagepunkt forderte die Verteidigung einen Freispruch. Die Entschädigungen, die Ärzte für die Neukundenerfassung, Dossierchecks und Interaktionskontrollen von der Versandapotheke erhielten, seien bis zum Bundesgerichtsentscheid von 2014 ausdrücklich erlaubt gewesen.
Sogar die Arzneimittelbehörde Medisuisse habe bis 2012 die Auffassung geteilt, die fraglichen ärztlichen Leistungen seien rein administrativer Natur und gehörten nicht zu den ärztlichen Pflichtleistungen, die gemäss Krankenversicherungsgesetz bereits über den Ärztetarif Tarmed abgegolten sind.
Bei den Entschädigungen handelte es sich also um ärztliche Leistungen an Dritte und nicht um medizinische Beurteilungen und Behandlungen von Patienten. Das Bundesgericht habe gar nicht detailliert abgeklärt, welche konkreten Leistungen damals abgegolten worden seien, so die Verteidigung.
Für Mittwochnachmittag hat das Gericht einen mündlichen Entscheid angekündigt.