Zürcher Stadtpolizisten wechseln in Scharen aufs Land
Viele Stadtpolizisten in Zürich haben genug von Demos und Fussball-Hooligans –deshalb wechseln sie zunehmend zur Gemeindepolizei.
Das Wichtigste in Kürze
- Immer mehr Zürcher Stadtpolizisten wechseln zur Gemeindepolizei.
- Dies trotz 1000 Franken weniger Lohn.
- Grund dafür ist, dass die Stellen weniger belastend sind, erklärt ein Personalvertreter.
Hochrisiko-Demos, Fussball-Hooligans, Gewaltverbrechen – für die Stadtpolizei Zürich im Dienst zu sein, ist nicht immer einfach. Kein Wunder, dass immer mehr Mitarbeiter zur Gemeindepolizei wechseln.
So sagt Werner Karlen im Gespräch mit dem «Tages Anzeiger»: «Ich glaube, die meisten kommen noch gern zur Arbeit. Aber die Stimmungslage ist nach wie vor nicht gut.»
Karlen ist oberste Personalvertreter der Zürcher Polizisten und Präsident des Polizeibeamten-Verbandes der Stadt. Durch seine Position hat er ein klares Verständnis für die internen Abläufe des drittgrössten Polizeikorps der Schweiz.
«Wir haben vielschichtige Probleme», sagt er.
Eines dieser betrifft eine fehlerhafte Personalbewertung, die über Jahre hinweg durchgeführt wurde. Es wurde kein Durchschnittswert verwendet. Stattdessen wurde das Personal immer an den Tagen gezählt, an denen eine neue Polizeischul-Klasse ihren Dienst aufnahm.
Dies führte zu einer Verzerrung der Daten – und einem vermeintlichen Überbestand an Personal. Denn: Schon kurz nach den Stichtagen gab es Pensionierungen und Kündigungen.
Laut Karlen gingen 60 Stellen bei der Sicherheitspolizei verloren. «Der Fehler wurde erst entdeckt, als die Personalbestände so schlecht waren, dass etwas getan werden musste», sagt er.
Personelle und strukturelle Mängel
Karlen vertritt mehr als 2000 Mitarbeiter und spricht mit ihnen offen über personelle und strukturelle Mängel der Stadtpolizei Zürich. Bis 2019 war er als Einsatzleiter in der Interventionseinheit Skorpion tätig. Heute ist er nur noch sporadisch im Aussendienst tätig. Aber er hat immer ein wachsames Auge auf das Wohl seiner Kollegen.
Die Folgen des jahrelangen Personalmangels sind weitreichend, erklärt Karlen. Sie führten unter anderem zur Schliessung der Regionalwache Industrie im Kreis 5. Über 70 Mitarbeiter wurden versetzt und es gab Pläne zur Zusammenlegung von Wachen und Bündelung von Kräften.
Karlen macht die damalige Geschäftsleitung für diese Schwierigkeiten verantwortlich: «Wir haben diese Probleme auf Kommando-Ebene öfter angesprochen», sagt er. «Aber die Verantwortlichen stellten sich auf den Standpunkt, dass die Fluktuation im normalen Bereich sei.»
Polizisten sagen, sie haben es im Dorf besser
Mit dem neuen Kommandanten Beat Oppliger gibt es Hoffnung auf Verbesserungen, berichtet der «Tages Anzeiger». Seit seiner Amtsübernahme im Jahr 2022 werden wieder mehr Absolventen der Polizeischule rekrutiert – pro Jahr 70. Ab 2025 sollen es sogar 90 sein. Dies, um die anstehenden Pensionierungen abzufedern und weitere Personaldefizite zu vermeiden.
«Dem Kommandanten sind die Belastungen sehr wohl bewusst», sagte Karlen. Eine der Massnahmen zur Entlastung des Personals sind angepasste Öffnungszeiten in allen Regionalwachen.
Dennoch wechseln viele aufs Land. Die Polizisten sagen «offen», dass sie es «in den Gemeinden besser hätten», so Karlen weiter. «Es sind uns Fälle von Polizisten bekannt, die sogar Lohneinbussen bis zu 1000 Franken pro Monat in Kauf nehmen.»
Er betont aber, dass das Polizeiwesen trotz der aktuellen Herausforderungen nicht in einer Krise steckt. «Wenn sich Probleme entwickeln, muss man sie als Führungskraft erkennen und Lösungen finden», sagt Karlen.