Zürich: Der Kampf um den Erhalt des Bürkliplatz-Flohmis
Ab September soll der Bürkliplatz umgebaut und begrünt werden. Darüber freuen sich nicht alle. Denn für den ansässigen Flohmarkt könnte das fatal sein.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Stadt Zürich plant ab kommenden September eine Neugestaltung des Bürkliplatzes.
- Der ansässige Flohmarkt könnte danach nicht wie bislang weitergeführt werden.
- Die Präsidentin der Vereinigung Zürcher Flohmärkte will das mit einer Petition verhindern.
Ein strahlend blauer Himmel spannt sich über den belebten Bürkliplatz, der sich an diesem Samstagmorgen allmählich füllt. Es ist der erste Flohmarkt-Tag des Jahres und es scheint, als hätten die Menschen bereits sehnsüchtig darauf gewartet. Die Stimmung ist ausgelassen, es wird verhandelt, gekauft und verkauft.
Mitten im bunten Treiben steht Monika Luck. Ihr ist überhaupt nicht zum Lachen zumute. Unter dem Arm klemmt ein Clipboard, in der Hand hält sie einen Kugelschreiber. Luck wirkt entschlossen, während sie von Stand zu Stand zieht und immer wieder dasselbe erklärt: «Ich sammle Unterschriften, damit dieser Flohmarkt erhalten bleibt.»
Der Grund für ihre Sorgen: Ab kommendem September soll der Bürkliplatz ein neues Gesicht erhalten. Die Neugestaltung sieht vor, den Platz mit zusätzlichen 25 Bäumen zu versehen, um Hitze zu mildern und das Stadtbild aufzuwerten. Für die Marktbetreiber:innen würde das bedeuten, dass sie nicht mehr genug Platz zum Ein- und Ausladen ihrer Waren hätten. «Wir könnten den Flohmarkt in Zukunft nicht wie bislang weiterführen», hält Luck fest.
Das Argument, dass die zusätzlichen Bäume wichtig fürs Klima seien, greift für die Präsidentin der Flohmarkt-Vereinigung nur teilweise: «Wir sind nicht grundsätzlich gegen die Pflanzung der Bäume, sondern fordern, dass insbesondere in den Eingangsbereichen nur so viel gepflanzt wird, dass die Händler:innen den Platz noch befahren können.»
Zudem würde die Stadt die Hecken rund um den Platz «aus ästhetischen Gründen» gänzlich entfernen, was aus ökologischer Sicht ebenso wenig Sinn machen würde.
Die Stadt begründet den Umbau auch historisch. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts hat sich der Bürkliplatz stark verändert: Bäume sind verschwunden, dafür hat man im Laufe der Jahrzehnte eine Hecke rund um den Park gezogen und ein Pissoir gebaut.
Gemäss den Plänen der Stadt soll nun der Platz optisch wieder möglichst an jenen von damals angeglichen werden, also: mehr Bäume, dafür keine Hecke und kein Pissoir. Zudem soll das Kioskgebäude auf dem Platz bis 2025 durch einen Neubau aus Holz ersetzt werden.
Mehr Platz statt mehr Bäume
Nicht nur die Neugestaltung ist Monika Luck und ihren Berufskolleg:innen ein Dorn im Auge. Sie kritisieren auch die Zwischenlösung, welche die Stadt während des 15-monatigen Umbaus vorschlägt. Der Flohmarkt sowie der Wochenmarkt sollen vorübergehend auf der Fraumünsterstrasse stattfinden.
Doch diese Lösung sei alles andere als ideal, erklärt Luck: Die Strasse sei so schmal, dass der Platz vor allem beim Ein- und Ausladen sehr knapp werde. «Ein Konzept, wie das funktionieren soll, liegt bislang nicht vor», ergänzt Luck, die sich seit mehr als 40 Jahren als Präsidentin der Vereinigung für Zürcher Flohmärkte für den Erhalt des Bürkliplatz-Flohmis einsetzt.
Hinzu komme das Parkplatzproblem für die Besucher:innen. 120 bis 150 Parkplätze würden in der Innenstadt laut Luck an den Markttagen wegfallen. «Viele Flohmarkt-Gänger:innen kommen von auswärts mit dem Auto. Ein Grossteil von ihnen würde mit Sicherheit wegbleiben, wenn es keine Parkplätze gibt», ist sie sich sicher.
Eine Möglichkeit, dem Platzproblem entgegenzuwirken, wäre die zusätzliche Nutzung des angrenzenden Münsterhofes. Doch auch diese Variante sei noch alles andere als definitiv, kritisiert die Flohmarkt-Präsidentin. Bislang habe man keine Bewilligung, zudem ist der Platz bis 2025 an mehreren Samstagen bereits anderweitig vergeben.
Dabei drängt die Zeit. Die Umbauten für den Bürkliplatz sollen bereits in vier Monaten beginnen. «Man hat uns Marktbetreiber:innen viel zu spät informiert und überhaupt nicht in die Planung einbezogen», ärgert sich Luck. Wäre die Stadt von Anfang an offen auf sie und die Händler:innen zugegangen, hätte man genug Vorlaufzeit gehabt, um Lösungen zu schaffen, die für alle Beteiligten vertretbar seien: sowohl für die Neugestaltung als auch für die Zwischenlösung.
Stattdessen hat die Stadt die Marktverantwortlichen Luck zufolge erst dann informiert, als die Pläne schon beschlossen waren. «Wir wurden vor vollendete Tatsachen gestellt.»
Als Protest hat der Flohmarkt-Verein gemeinsam mit den Verantwortlichen des Gemüsemarkts eine Petition gestartet. Darin fordern sie, dass im Zuge der Umgestaltung nur so viele zusätzliche Bäume gepflanzt werden, sodass weiterhin ausreichend Platz für die Flohmarktstände vorhanden ist und Marktfahrer:innen genügend Raum für die Zu- und Wegfahrt haben.
Händler:innen fühlen sich nicht ernst genommen
Neben den Unterschriften für den Erhalt des Flohmarktes hat Monika Luck zudem Flyer vorbereitet, die sie unter den Standbetreiber:innen verteilt. «99 Bäume in der Stadthausanlage sind zu viel!», lautet die rote Überschrift. Darunter ein Foto des Flohmarktes sowie der Hinweis auf die Petition.
Obwohl die 74-Jährige an diesem Samstag schon seit 6 Uhr auf den Beinen ist, wirkt sie engagiert und überhaupt nicht müde. Sie schlängelt sich durch die Menschenmassen, spricht Besucher:innen an und leistet Überzeugungsarbeit. Geduldig erklärt sie immer wieder aufs Neue, wie wichtig jede einzelne Unterschrift für den Erhalt des Flohmarktes sei.
Luck steuert auf einen Stand mit lauter Antiquitäten in der Mitte des Platzes zu. Der Verkäufer verhandelt gerade mit einer Kundin. Als er Luck sieht, läuft er sichtlich erfreut auf sie zu und umarmt sie zur Begrüssung. «Niemand setzt sich so sehr für diesen Flohmarkt ein wie sie», sagt er. Ein Satz, der an diesem Morgen mehrmals fällt. Unter Sammler:innen kennt man sich.
Auch er sei jeden Samstag hier, erklärt der Antiquitätenhändler. Mit den zusätzlichen Einnahmen bessere er seine bescheidene Rente. «Wie so viele hier», ergänzt Luck.
Das scheine bei der Stadt aber kaum jemanden zu interessieren. Einmal seien sie in einem offiziellen Rahmen als «Hobbyverein» bezeichnet worden, was Luck besonders gegen den Strich geht. «Wir sind kein Hobbyverein. Viele Existenzen hängen von diesem Flohmarkt ab.»
Luck und die anderen Händler:innen fühlen sich von der Stadt nicht ernst genommen. Man kritisiert die mangelnde Einbeziehung der Marktverantwortlichen in die Planung und das Fehlen von alternativen Lösungen. Für viele Verkäufer:innen und Sammler:innen stehe ein Teil des Einkommens auf dem Spiel, doch ihre Stimmen scheinen ungehört zu verhallen.
Im Wettlauf mit der Zeit
Monika Luck blickt auf die Uhr und schreckt auf. Sie müsse zurück zu ihrem Stand, der gerade noch von Bekannten betreut werde, sagt sie und drückt dem Rentner zum Abschied noch einen Flyer in die Hand.
Später wird sie wieder mit ihrem Klemmbrett losziehen. 600 Unterschriften werden an diesem Tag zusammenkommen. Ob sich Lucks Engagement auszahlt, wird sich Ende Mai zeigen. Dann will der Verein die Petition überreichen.
Denn noch sind die Pläne der Stadt nicht in trockenen Tüchern: Über den Kredit für die Neugestaltung wird das Parlament entscheiden.
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Hinweis: Dieser Artikel ist zuerst bei «Tsüri.ch» erschienen. Autorin Noëmi Laux ist Redaktorin beim Zürcher Stadtmagazin.