Andrea Zryd (SP): Es gibt kein «Finanzloch» in der Schweizer Armee
Aufgrund des Kriegs in der Ukraine ist die Sicherheitslage in ganz Europa verschärft. Wie sollte sich deshalb die Schweizer Armee ausrichten? Ein Gastbeitrag.
Das Wichtigste in Kürze
- Wegen des Angriffs Russlands auf die Ukraine ist die Sicherheit in Europa gefährdet.
- Deshalb wird auch für die Schweiz Verteidigungsfähigkeit wieder zum Schlüsselthema.
- Begriffe wie Neutralität, Verteidigung und Kooperationen müssen neu diskutiert werden.
Als Mitglied der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrates (Sik-N) habe ich mich unerwartet schnell und ohne Schonfrist mit Fragen rund um die finanzielle Lage und die künftige Rolle der Armee beschäftigen müssen.
Zuerst zu den Finanzen. Das Thema wurde zuletzt in Medien und Öffentlichkeit ja bereits ausführlich verhandelt. Wir haben uns auch kürzlich in der SiK von VBS-Chefin und Bundespräsidentin Viola Amherd und Armeechef Thomas Süssli informieren lassen.
Unser Fazit: Die Armee hat kein grundlegendes Problem bei der Finanzierung, kein «Finanzloch», aber Luft nach oben bei der Planung.
Auch sind wir uns einig: VBS und Armee hätten noch sehr viel Potenzial bei der Verbesserung der Kommunikation, um solche Vorfälle in Zukunft glatter über die Bühne zu bringen!
Viel wichtiger für mich ist aber die Frage, welche Armee die Schweiz in Zukunft braucht. Die sicherheitspolitische Lage in Europa hat sich seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine in den letzten Jahren grundlegend verändert.
Die Schweiz ist mit betroffen, ob sie es will oder nicht, Verteidigungsfähigkeit wird für uns wieder zum Schlüsselbegriff, auch in Bereichen wie der Cybersicherheit.
Neutralität, Verteidigung und Kooperationen müssen neu diskutiert werden
Eingehend diskutiert wurden in der SiK deshalb auch die künftige Ausrichtung der Armee und die Investitionen, die es für die Stärkung der Verteidigungsfähigkeit braucht.
Persönlich bin ich überzeugt, dass wir für die Schweiz zentrale Begriffe wie Neutralität, Verteidigung und Kooperationen inhaltlich neu diskutieren müssen.
Der Réduit-Gedanke und die Idee, sich im Falle eines Angriffs in die Festungen im Berg zurückzuziehen, war vielleicht vor bald 100 Jahren richtig. Nun ist die Festung auf dem Gotthard ein Museum, und das ist richtig so.
Eine ausreichende Sicherheit können wir nur zusammen mit Partnern erreichen. Wir dürfen uns nicht darauf verlassen, dass andere europäische Staaten indirekt für unsere Sicherheit sorgen, sondern müssen unseren Teil selber übernehmen. Was das konkret heisst, darüber gehen die Meinungen auseinander.
An der gleichen Sitzung hat die SiK-N eine Motion verabschiedet, die den Bundesrat beauftragt, das einschlägige Recht so anzupassen, dass gemeinsame Übungen mit der NATO, bei denen der Bündnisfall im Sinne von Artikel 5 des Nordatlantikvertrags simuliert wird, verboten sind.
Die Kommissionsmehrheit war der Auffassung, dass eine solche Zusammenarbeit mit der NATO, de facto die Aufgabe der Schweizer Neutralität bedeuten würde.
Die Minderheit wiederum war der Ansicht, dass die Tür für eine engere Zusammenarbeit mit der NATO nicht vorzeitig verschlossen werden sollte. Ich habe meine Meinung noch nicht abschliessend gemacht – und mich deshalb enthalten.
Die Armee darf in meinen Augen nicht ausschliesslich die Verteidigung ins Zentrum rücken, sondern muss sich insbesondere für den Bevölkerungsschutz und die wichtigen Friedensförderungen mit Vehemenz einsetzen und dort auch finanzielle Mittel locker machen.
Förderung für Frauen- und Mädchenfussball winzig
Ebenfalls beim VBS angesiedelt ist bekanntlich der Sport. Während es bei der Armee um Milliarden geht, sind die Beträge beim Sport und der Sportförderung deutlich kleiner. Und wenn es um die Förderung des Frauen- und Mädchenfussballs geht, sind die Beträge im Vergleich winzig.
Gerade mal 4 Millionen Franken will der Bund im Zusammenhang mit der Frauenfussball-EM im 2025 für die Sportförderung ausgeben.
Und dieser Betrag muss dann auch noch BASPO-intern kompensiert werden. So spielt man den Sport gegeneinander aus. Selbstverständlich fordern wir im Parlament die 15 Millionen Franken und ich setzte mich an allen Fronten dafür ein. Mein berufliches und politisches Netzwerk im und um den Sport helfen mir dabei.
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Zur Autorin: Andrea Zryd (SP) ist Nationalrätin des Kantons Bern und Mitglied der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrates (SiK-N). Von 2004 bis 2010 sowie 2014 bis 2023 war sie Teil des Berner Grossen Rates.